Der Keller der Identitären in Wien, der immer wieder Ziel von Protesten wird.

Foto: Markus Sulzbacher

Die rechtsextremen Identitären haben am vergangenen Sonntag das Ute-Bock-Haus in Wien-Favoriten heimgesucht. Sie befestigten vom Dach herab ein Banner mit fremdenfeindlicher Botschaft an der Fassade, entzündeten Pyrotechnik und blockierten den Eingang. Nachdem sie Fotos von sich gemacht hatten, zogen sie wieder ab. Und hinterließen verängstigte Bewohnerinnen und Bewohner. Insbesondere für die Kinder war die Aktion "eine unglaubliche Belastung", sagt Thomas Eminger, der Geschäftsführer des Flüchtlingsprojekts Ute Bock. Im Ute-Bock-Haus leben mehr als 90 Kinder, Frauen und Männer, darunter auch Kriegsvertriebene aus der Ukraine, die in Österreich Schutz suchen.

Am Mittwoch demonstrierten einige Hundert Personen gegen die Identitären in Wien, dabei zogen sie durch den fünften Wiener Gemeindebezirk, wo die Gruppierung einen Stützpunkt in einem Keller hat.

Demonstration gegen die Identitären am Mittwoch.
Foto: Markus Sulzbacher

Aktionen für Spenden und Schlagzeilen

Die Attacke auf das Ute-Bock-Haus war ein typischer Coup der Identitären. Mindestens einmal pro Monat führen sie derartige Aktionen durch, im März verteilten sie rassistische Flyer in der Wiener U-Bahn und kletterten auf das Dach des Linzer Bahnhofs. Sie versuchen so in die Medien kommen. Damit das gelingt, stellen sie Medien auch inszenierte Fotos zur Verfügung, die oftmals auch übernommen werden – obwohl der Presserat warnt, sich nicht "instrumentalisieren zu lassen". Die zahlreichen Schlagzeilen nach der Attacke auf das Ute-Bock-Haus beflügelt sie.

Der Presserat warn vor der Übernahme von Fotos.

Mit derartigen Auftritten werden einerseits auch Aktivisten bei Laune gehalten und andererseits ruft man sich bei Gönnern in Erinnerung. So werden Bilder von der Aktion mit dem Aufruf verbunden, Geld zu spenden. Für die Identitären sind diese Spenden zentral, ebenso wie die Übernahme ihrer Fotos und damit ihrer Botschaft.

Vermummt bei den Aktionen

Bei solchen Aktionen treten die Identitären maskiert auf, sie sind an ihren weißen Schlauchschals zu erkennen. Die Vermummung sei eine Reaktion auf die "kostenzermürbenden Strafverfahren", erklärt Identitären-Anführer Martin Sellner recht offen in einem aktuellen Blogbeitrag. Passend tragen auch einige ihrer Webseiten kein Impressum mehr.

Schon bevor die Symbole der Identitären und ihres Spin-offs "Die Österreicher" im vergangenen Jahr verboten wurden, traten die Identitären unter verschiedenen Namen in Erscheinung. Mal nennen sie sich Patrioten in Bewegung, dann wieder Widerstand in Bewegung, Wiener beziehungsweise Österreichischer Widerstand, Wiener Wehrmänner, Eisenfaust und manchmal auch Rechte Wiener Jugend. Dahinter stehen rund 20 bis 30 Personen, es ist der aktivistische Flügel der Identitären. Ein Wortführer ist der Wiener Burschenschafter Gernot Schmidt.

Vermummte Identitäre führen eine Corona-Demonstration in Wien an, mit dabei freiheitliche Jugendliche, daneben christliche Eiferer.
Foto: Markus Sulzbacher

Nachdem die Identitären und "Die Österreicher" von Onlineplattformen wie Facebook, Twitter und Youtube gesperrt worden sind, verfügt lediglich noch Sellner über eine größere Gefolgschaft auf Telegram. Seine Beiträge werden immer wieder von Aktivisten und Aktivistinnen der Proteste gegen die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie aufgegriffen und verbreitet. Aktuell überlegt Martin Sellner, an Universitäten aktiver zu werden.

Kampfsport und Ukraine-Krieg

Die Attacke auf das Ute-Bock-Haus zeigt, dass es den Identitären bei ihren öffentlichen Auftritten um "Action" geht. Die Zeiten der "Bürgerbewegung" sind vorbei, ihre Zielgruppe sind erlebnisorientierte junge "sportliche Männer", wie Schmidt in einem Podcast erklärt. Dafür wird Kampfsport trainiert. Laut Verfassungsschutz gibt es derzeit angeblich auch Überlegungen, ob man sich in der Ukraine "mit rechtsgerichteten paramilitärischen Einheiten verbünden und allenfalls sogar an Kämpfen teilnehmen sollte".

Auf den Corona-Demonstrationen war diese neue "Action"-Strategie schon länger zu beobachten. Sellner beschreibt die Demonstrationen als einen Ort der "Verbrüderung der Wutboomer und Jungaktivisten". Die Identitären treten meist vermummt in einem eigenen Block auf und sind zur Stelle, wenn es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt. Auch bei Attacken auf Journalisten und Journalistinnen sind sie zu finden. Bei einer Kundgebung griffen sie eine Gruppe von jungen Mitdemonstrierenden an, weil diese sich auf Plakaten selbst als "Antifaschisten" bezeichneten. Identitäre waren schon bei der ersten Corona-Demonstration dabei, ihnen gelang es auch, Themen vorzugeben.

FPÖ und Identitäre

Bei den Demonstrationen fallen auch Verbindungen zur FPÖ auf. Gemeinsam marschierten Funktionäre des RFJ, des Rings Freiheitlicher Jugend, mit den Identitären. Diese Woche wurde ein (mittlerweile ehemaliger) RFJ-Funktionär aus Salzburg, der auch bei den Identitären aktiv ist, wegen grob fahrlässiger Körperverletzung (nicht rechtskräftig) bei einer Corona-Demonstration verurteilt.

Ein Mitarbeiter von FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz hatte gemeinsame Auftritte mit den Identitären, die von Schnedlitz als "eine Art NGO auf der rechten Seite" bezeichnet wurden. Eine Formulierung, die auch von FPÖ-Chef Herbert Kickl zu hören ist.

Ideologisch hat diese angebliche "NGO" weiterhin nur ein Thema. Sie redet ständig von einem angeblichen Bevölkerungsaustausch, eine Erzählung, die auch der Attentäter von Christchurch verbreitete. Nach seinem Anschlag wurde bekannt, dass er Martin Sellner 1.500 Euro gespendet hatte.

Martin Sellner und sein Handy an der Spitze einer Corona-Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Seit einem Jahr betonen die Identitären ihre "weiße Hautfarbe" oder fordern "White Lives Matter". Eine Annäherung an den Rassenwahn, der aktuell von US-amerikanischen Rechtsextremen wieder lauter gepredigt wird.

Vor wenigen Wochen stand ein Mann aus dem Umfeld der Gruppe vor Gericht, bei dem Schusswaffen, Munition, Kriegsmaterial, Bestandteile für die Herstellung von Rohrbomben, Fan-Artikel der Identitären, NS-Devotionalien sowie eingerahmte Porträtbilder von Rechtsextremisten sichergestellt wurden. "Zudem wurden handschriftliche Skizzen mit maßstabsgetreuen Bauanleitungen für Rohrbomben und weitere für die Vorbereitung einer rechtsterroristischen Straftat notwendige Mittel beschlagnahmt", wie es dazu seitens des Innenministeriums heißt. (Markus Sulzbacher, 5.5.2022)