Oppositionschef Friedrich Merz fordert von Kanzler Olaf Scholz mehr Führung.

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Der, um den es geht, ist gar nicht da, sondern sehr weit weg. Als der Bundestag am Donnerstag über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine berät, befindet sich der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Japan zu seinem Antrittsbesuch.

Unmöglich sei das bei einer so wichtigen Entscheidung, klagt man in der Union. Gut und richtig sei die Reise, sagen hingegen viele in der SPD – zumal der große Showdown zwischen der Ampel aus SPD, Grünen und FDP auf der einen sowie der Union auf der anderen Seite ja ohnehin nicht stattfindet.

Eine Zeitlang hat es so ausgesehen, als könnte es an diesem Donnerstag im Bundestag ordentlich krachen. Der Union missfiel die Zurückhaltung Deutschlands bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine.

Der große Krach bleibt aus

Also heckte sie folgenden Plan aus: Sie wollte der Bundesregierung per Antrag den Auftrag geben, aktiv zu werden. Ihre Hoffnung: Dem Antrag würden sich auch viele Abgeordnete aus der Ampelkoalition anschließen. Denn immer wieder war vor allem bei den Grünen und der FDP der Ruf laut geworden, Berlin solle doch mehr liefern.

Hätte der Antrag eine Mehrheit bekommen, wäre Scholz vorgeführt worden. Doch so weit kam es nicht. Erstens hat die Regierung der Ukraine mittlerweile mitgeteilt, dass sie die Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern genehmigen wird.

Und zweitens begannen die Ampelabgeordneten im Bundestag einen eigenen Antrag zu formulieren. Die Union zeigte sich rasch gesprächsbereit, und so gelang der Schulterschluss. Am Donnerstag lag dann ein gemeinsamer Antrag von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP zur Abstimmung im Plenum vor.

Ringtausch mit Slowenien

In diesem wird die Bundesregierung aufgefordert, der Ukraine "umfassende Unterstützung" zu gewähren, dabei "auch die Lieferung" schwerer Waffen zu erweitern, damit sie sich gegen die russischen Angriffe wehren kann. Dies könne "etwa" im Rahmen eines Ringtausches geschehen. Dieser sieht so aus: Der Nato-Verbündete Slowenien liefert den noch in der Sowjetunion entwickelten T-72-Panzer an Kiew und bekommt später dafür im Gegenzug Panzer der Typen Marder und Fuchs aus Deutschland. Die Panzer aus Slowenien könnten von ukrainischen Soldaten sofort, ohne vorherige Ausbildung, bedient werden.

Doch trotz der Einigung attackiert Merz Scholz in der Debatte hart. Er greift zunächst einen Satz des Kanzlers aus der Vorwoche auf. Da hatte Scholz kritische Bundestagsabgeordnete der Ampel als "Mädels und Jungs" bezeichnet. Das sei "völlig inakzeptabel", so Merz. Im Sprachgebrauch des Bundeskanzlers sieht er "ein Zeichen von Unsicherheit und Schwäche".

"Zaudern und Ängstlichkeit"

Der CDU-Partei- und -Fraktionschef wirft Scholz auch vor, in der Frage, ob an die Ukraine Waffen geliefert werden sollen, alle hingehalten und Fragen nicht ausreichend beantwortet zu haben. Merz: "Das ist nicht Besonnenheit, wie Sie es in den Ampelfraktionen in den letzten Tagen zu erklären versuchen. Das ist Zögern, das ist Zaudern, und das ist Ängstlichkeit."

Die Retourkutsche erfolgt von SPD-Chef Lars Klingbeil, der sich direkt an Merz wendet. "Das hätte heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden", wirft er ihm vor. In der Sache jedoch ist man sich dann einig. Der gemeinsame Antrag wird vom Bundestag mit 586 Stimmen angenommen. 100 Abgeordnete stimmen dagegen. (Birgit Baumann aus Berlin, 28.4.2022)