Bruch auf mehreren Ebenen: Im Original trägt der Film von Catherine Corsini den Titel "La fracture" und stellt dem französischen Gesundheitssystem eine üble Diagnose.

Alamode Film

Ist was gebrochen?" Das ist eine klassische Frage in einer Notaufnahme, in die Menschen kommen, denen dringend geholfen werden soll. Nicht allen gleich dringend, für die Unterscheidung gibt es in Catherine Corsinis Film In den besten Händen Armbändchen. Patienten ohne Priorität kommen auf ein Bett im Keller. Im Original heißt der Film La fracture, und er wartet mit einer gründlichen Diagnose auf: In Frankreich ist tatsächlich etwas gebrochen. Vielleicht der gesamte Staat mit seinen vielen öffentlichen Institutionen. Auf jeden Fall aber das Gesundheitssystem, das steht nämlich am Rande der Dysfunktion.

Gelbwesten gegen Linke

Es gibt aber auch einen konkreten Bruch. Raphaëlle, eine hektische Zeichnerin, hat sich den Arm gebrochen. Sie liegt nun im Keller neben Yann, einem Lastwagenfahrer, dessen Bein voller Splitter ist. Er wurde bei einer Demo verletzt, bei der die Polizei und Demonstranten heftig aufeinander losgingen. Yann gehört zu den Gelbwesten. Nach Paris ist er mit seiner Wut gekommen. Für die urbane Raphaëlle ist er damit automatisch Wähler von Marine Le Pen und womöglich ein "Fascho". Da gibt es Missverständnisse aufzuklären, und tatsächlich läuft der Film auf eine Art Gleichgewicht an Krisensymptomen hinaus, aber auch auf den einen oder anderen Resilienzmoment.

Die Krankenschwester Kim zum Beispiel ist eine, die viel ausgleicht: eine kräftige Frau, die aber auch an ihre Grenzen kommt, als ein junger Mann, der eigentlich psychiatrisch behandelt werden müsste (also an einer anderen Stelle), durchdreht. Corsini lässt die Station zu einem Sinnbild der größeren Konflikte in Frankreich werden. Wenn zwischendurch einmal jemand sagt: "Das ist die Intensivstation", dann ist das buchstäblich zu nehmen und gleichzeitig als Systembefund.

Herzstillstand und Liebe

Etwas Druck nimmt die Regisseurin durch die Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren: Raphaëlle (Valeria Bruni-Tedeschi) und ihre Lebensgefährtin Julie (Marina Foïs) sind gerade im Begriff, sich zu trennen, inmitten des Chaos nähern sie sich aber wieder an, sodass es nicht die ganze Zeit um Herzstillstand und Kontrollverluste geht.

Im Kern erzählt In den besten Händen davon, wie individuelle Not oder Wut auf Strukturen und Routinen trifft. Daraus entsteht eine ganz eigene Spannung zwischen den Menschen. Und die Wiederannäherung zwischen Raphaëlle und Julie ist dann auch ein Prozess, von dem man als Publikum lernen kann. Denn in einer Beziehung (auch in der mit dem Staat) reicht es eben nicht, ständig sehr laut "Ich" zu sagen. Auch wenn man dazu die allergrößte Berechtigung hat. (Bert Rebhandl, 29.4.2022)