Wie cool oder nervös ein Hund ist, kann einer Studie zufolge nur zu etwa neun Prozent auf seine Rasse zurückgeführt werden. Diese beeinflusst hauptsächlich das Aussehen.
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Schlaue Collies, liebe Golden Retriever, selbstsichere Schäferhunde: Die Charaktereigenschaften und Fähigkeiten von Hunden werden oft in Zusammenhang mit ihrer Rasse gesehen – sofern diese auf den ersten Blick erkennbar ist. Eine aktuelle Studie dürfte diese Zuschreibungen jedoch teilweise aufbrechen: Der Forschungsarbeit zufolge lässt sich das Wesen eines Hundes nur teilweise durch die Zuchtrasse erklären, schreibt das Team um Kathleen Morrill vom renommierten Broad Institute des Massachusetts Institute of Technology und der Universität Harvard (USA) im Fachjournal "Science".

Zwar sind viele Verhaltensweisen teilweise erblich, etwa ob ein Hund eher verspielt, gelehrig oder wachsam ist. Allerdings sind die Unterschiede zwischen einzelnen Hunden meist größer als jene zwischen einzelnen Rassen, wie die Analyse zeigt.

Junge Zuchtprioritäten

Die modernen Hunderassen seien weniger als 160 Jahre alt – ein Wimpernschlag in der Evolutionsgeschichte im Vergleich zum Ursprung der Hunde vor mehr als 10.000 Jahren, schreiben die Forschenden. Menschen züchten Hunde seit etwa 2.000 Jahren gezielt. Meistens lag das Augenmerk auf den Aufgaben, die sie übernehmen sollten, etwa als Hüterhunde, Jagdhunde oder Wachhunde.

Doch erst später seien Hunde nach einem körperlichen Ideal und mit der Vorstellung möglichst reiner Abstammungslinien gezüchtet worden. Den dabei entstandenen Rassen werden bis heute Verhaltensweisen zugeschrieben, die auch auf ihre ehemaligen Einsatzgebiete zurückgeführt werden.

Neun Prozent des Verhaltens erklärt

Ob das so stimmt, prüfte das Forschungsteam nun mittels einer großangelegten Studie. Es sammelte Angaben von mehr als 18.000 Hundebesitzerinnen und Hundebesitzern zum Wesen und Verhalten ihrer reinrassigen und gemischtrassigen Gefährten. Zudem analysierte das Team die genetischen Daten von rund 2.100 Hunden und verknüpfte sie mit den berichteten Verhaltensweisen der Hunde.

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Für die Studie wurden Befragungen der Herrchen und Frauchen sowie Gendaten berücksichtigt.
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Die Auswertung der Befragungsdaten zeigte unter anderem, dass Verhaltensunterschiede zwischen modernen Rassen grundsätzlich nur gering ausgeprägt sind. Die Rasse allein erkläre etwa neun Prozent der Unterschiede im Verhalten einzelner Hunde, schreiben die Forschenden.

Wer sich mit entsprechenden statistischen Analysen auskennt, weiß, dass das bereits ein bemerkenswerter Anteil ist, der nur durch die Rassenzugehörigkeit erklärt werden kann. Andererseits ist es eben auch nur knapp ein Zehntel, das dieser Faktor unter mehreren Einflüssen darstellt.

Heulende Hunde

Bei einigen Verhaltensweisen, etwa der Tendenz zu heulen oder der Lust am Apportieren, fielen die Werte allerdings höher aus. Huskys, Beagles und Bluthunde heulten demnach besonders gerne, Border Collies zeigten sich besonders fügsam.

Die Forschungsgruppe fand keine Verhaltensweise, die ausschließlich in einer Rasse zu finden ist. So gelten Labradore zwar als Rasse, die kaum heult, einige Halterinnen und Halter berichteten aber dennoch, dass ihre Tiere das manchmal oder häufig tun. Von Greyhounds sagt man, dass sie ihre Spielzeuge nicht verbuddeln, aber auch dieses Verhalten wurde berichtet. Zudem änderte sich das Verhalten klarerweise mit dem Alter: Welpen vieler Rassen waren etwa so verspielt wie die als besonders spielzeugversessen geltenden Schäferhunde.

Die Analyse der Gendaten ergab, dass einzelne Rassen nur sehr wenige genetische Besonderheiten aufwiesen. Die Rasse habe nur einen geringen Wert bei der Vorhersage des Verhaltens eines Hundes, schreibt das Team. Die meisten Verhaltensweisen seien zwar erblich, allerdings seien sie durch mehrere Gene beeinflusst – sowie natürlich durch die Umwelt. Eine Vorbesitzerin mit rabiaten Erziehungsmethoden oder schlechte Erfahrungen mit hochgewachsenen Männern können Hunde nachhaltig beeinträchtigen.

Glückliche Hundezukunft

"Die Rasse wird nicht darüber entscheiden, ob wir mit einem Hund glücklich werden oder der Hund mit uns", sagt Marjie Alonso von der International Association of Animal Behavior Consultants, die an der Studie beteiligt war. Im Gegensatz zur landläufigen Annahme betreffen die Rassenunterschiede hauptsächlich das Erscheinungsbild. Und: "Das Aussehen sagt einfach wenig darüber aus, wie sich der Hund verhalten wird."

Der Blick auf die Rasse – und Angaben darüber, wie sich ihr Charakter im Durchschnitt darstellt – helfe daher auch nur sehr bedingt weiter, wenn es um die individuelle Wahl eines passenden Hundes geht. Stattdessen sollten Personen, die einen Hund adoptieren wollen, stärker darauf achten, wie groß er einmal wird, sofern er nicht bereits ausgewachsen ist – und ob man den nötigen Auslauf zur Verfügung stellen kann. (red, APA, 29.4.2022)