Düster, detailreich, komplex, atmosphärisch. "Weird West" präsentiert sich, wie viele andere Titel aktuell, mutig und speziell.

Foto: Devolver Digital

Auch wenn es vielen nicht gefällt: Early Access hat sich als Entwicklungsmodell für Indiespiele etabliert. Das Geschäft mit dem Alpha-Zugang ermöglicht auch kleinen Studios, ambitionierte Entwicklungsarbeit finanziell zu stemmen. Das Modell ist dabei besser als sein Ruf: Monat für Monat verlassen Spiele den Kokon ihrer Early-Access-Phase. In den letzten Wochen haben etwa Forgive me Father, Teardown, King Arthur: A Knight's Tale und GTFO ihre sehr erfolgreichen Vorentwicklungsstadien verlassen und die dicke, fette 1.0 erreicht.

Auch in den letzten Wochen sind Massen von Indies final oder zumindest spielbereit gestartet; die folgende Auswahl von zehn Spielen unabhängiger Entwicklern und Entwicklerinnen, einige davon ebenfalls erst in den Early Access entlassen, bietet für (fast) jeden Geschmack etwas. Viel Spaß!

Weird West

DevolverDigital

(Windows, PS4, Xbox, 39,99 Euro)

"Immersive Sims", das sind Spiele wie Deus Ex, Dishonored oder Thief, in denen SpielerInnen mit einem ganzen Arsenal an Gameplaymöglichkeiten auf eine simulierte und individuell reagierende Spielewelt losgelassen werden. Die Entwickler von Weird West entstammen der AAA-Welt und waren zuvor bei Arkane an Spielen wie Prey und Dishonored beteiligt; ihr Debütspiel bietet nun dieselbe spielerische Freiheit in einer ganz neuen, ziemlich originellen Welt.

Ein Wilder Westen, in dem Magie, Monster und okkulte Mächte alltäglich sind, ist ein erfreulich frisches Setting, und auch die Zeichentrick-Optik des Spiels ist gelungen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die frei bewegliche Vogelperspektive, doch nach kurzer Einarbeitung versinkt man in diesem detaillierten Actionrollenspiel, das nur auf den ersten Blick einem Twin-Stick-Shooter ähnelt. Düster, detailreich, komplex, atmosphärisch.

Abriss

Randwerk

(Windows, Mac, Early Access um 14,99 Euro)

Bei aller Friedfertigkeit: Hin und wieder ist es einfach unglaublich befreiend, irgendetwas kaputtzumachen, am besten mit möglichst großem Wumms. Der Physikpuzzler Abriss bietet dazu jede Menge Gelegenheit: In der stylisch minimalistischen Sandkiste krachen riesige Gebäude perfekt simuliert zu Boden, fliegen Mauerbrocken beeindruckend durch die Luft und sorgen allerhand originelle Werkzeuge und Bauteile für befriedigende Abbruchstimmung.

Die monumentalen, brutalistischen Architekturen und der gelungene Soundtrack erschaffen eine dichte Science-Fiction-Atmosphäre, im Kern ist Abriss aber ein cleveres Rätselspiel, in dem mit vorgegebenen Werkzeugen kreativ, nun ja, abgerissen werden soll. Kampagne, Sandbox-Modus und ein eigener GIF-Creator sorgen schon im Early Access für einige Stunden meditativ-kreative Zerstörung.

Serious Sam: Tormental

GameTrailers

(Windows, Konsolen in Vorbereitung, 9,99 Euro)

Der Shooter-Held Serious Sam war immer schon eine ironische Cartoon-Karikatur, nun hat er das passende Spiel dazu bekommen: In Tormental steuern wir den sprücheklopfenden Ballermann nicht aus der Ichperspektive, sondern in der Top-Down-Ansicht eines Twin-Stick-Shooters. Gefangen im Gehirn des Serienbösewichts Mental, treten wir allein oder zu zweit im Couch- oder Online-Koop gegen allerhand kleine und große Monster an, wie es der Zeitgeist will im Rogue-Lite-Modell, also zufallsgeneriert mit inkrementell freischaltbaren Goodies und Waffen.

Das Rad erfindet das Serien-Spinoff nicht neu, ein solider Spaß ist auch dieses Spiel in neuer Perspektive – irgendwie war ja auch in den First-Person-Spielen mit ihren tausenden Gegnern die altmodische Arcade immer irgendwie zentrales Spielprinzip. Laut, lustig, niederschwellig.

Highrise City

Deck13

(Windows, Early Access um 24,99 Euro)

Die Liebe zum Aufbauspielgenre ist besonders im deutschen Sprachraum sehr ausgeprägt, mit Highrise City wagt sich ein deutsches Indie-Team daran, die klassischen Platzhirsche SimCity und Cities: Skylines herauszufordern. Genreüblich geht es an die Planung und Verwaltung einer bis zur Megacity wachsenden Großstadt, als originelles Extra gilt es in Highrise City zusätzlich immer komplexer werdende Produktionsketten miteinzubeziehen – bei entsprechend großen Städten erinnert das an die industrialisierten Abläufe der Anno-Reihe oder sogar fast ein klein wenig an Logistikspiele wie Factorio.

Dem großen Ehrgeiz des Projekts stehen aktuell ein ebenso großer Hardware-Hunger wie auch Wackeligkeiten in Sachen Bedienbarkeit des Early-Access-Spiels gegenüber. Was abseits davon schon da ist, lässt auf einen Leckerbissen für Genrefreunde hoffen. Neugierige können jetzt schon etliche Stunden in dieser Baustelle versenken.

Dorfromantik

VideoGameTrailers

(Windows, 12,99 Euro)

Noch eine Art Aufbauspiel aus deutschen Landen, aber in Dorfromantik gibts keine Wolkenkratzer, sondern Felder, Dörfer und hübsche Landschaften. Das ganz frisch aus dem Early Access entlassene, bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Spiel übernimmt das Grundprinzip des beliebten Brettspiels Carcassone und erweitert dessen Kartenlegemechanik um ebenso meditative wie herausfordernde Gameplay-Aufgaben.

Das Freischalten immer neuer Kartentypen, eine Kampagne und ein Kreativmodus sorgen für Langzeitmotivation, aber eigentlich ist das friedfertige Ausbauen eines wunderschönen Landschaftsteppichs auch so ein einfach für jedermann und -frau empfehlenswerter Instantklassiker entspannten Gamedesigns. Auch für Menschen, die sonst wenig bis gar keine Videospiele spielen: Schauen Sie sich das an.

The Iron Oath

GameTrailers

(Windows, Mac, Early Access um 19,99 Euro)

Rollenspiel- und Strategie-Fans, aufgepasst: The Iron Oath verbindet hinreißende Pixelkunst mit den Qualitäten der RPG-Klassiker Darkest Dungeon und Battle Brothers zu einem spannenden Mix. Als Anführer einer kleinen Gruppe Fantasy-Söldner erledigt man Missionen für verschiedene Fraktionen einer düsteren Spielewelt, erforscht Schritt für Schritt finstere Unterweltkerker und managt Heldinnen und Helden, deren Tod und Verlust nicht nur wegen eines knackigen Schwierigkeitsgrads nahegehen.

Vor allem in den ersten Teilen der Kampagne überzeugen gut geschriebene Texte ebenso wie interessante Charakterklassen und taktisch herausfordernder Rundenkampf auf Hexfeldern; ob das Endgame diesen hohen Standard halten kann, wird erst der finale Release zeigen. Bis dahin bietet The Iron Oath aber schon jetzt dutzende Stunden spannende Fantasy-Kost.

Knightfall – A Daring Journey

Landfall

(Windows, 4,99 Euro)

Der windschief eingesungene Trailer, die um die Kurven driftenden Schlachtrösser und die Ritter mit Schrotflinten sollten es schon nahelegen: Knightfall nimmt sich nicht ganz ernst. Spaß macht das kleine, günstige Spiel aber trotzdem, besonders, wenn man zu zweit in diese witzige Battle-Royale-Variante startet.

Als Ritterduo gilt es in halsbrecherischem Galopp vor Nachtanbruch das schützende Dorf zu erreichen und gegen Konkurrenten zu verteidigen, am Ende bleibt von zwölf Teams nur eines übrig. Knightfall ist eine sympathisch erfrischende Abwechslung zum gewohnten Battle-Royale-Alltag.

Midnight Ghost Hunt

MIDNIGHT GHOST HUNT

(Windows, Early Access 19,99 Euro)

Seit dem Sensationserfolg von Phasmophobia ist Multiplayer-Geisterjagd im Early Access fast ein eigenes Subgenre, mit Midnight Ghost Hunt kommt eine witzige neue Variante dazu. Der Clou: Den technisch hochaufgerüsteten Teams von Geisterjägern stehen hier Gespenster gegenüber, die sich in fast jeden beliebigen Gegenstand in den Spukvillen und sonstigen unheimlichen Locations verwandeln können.

Vier gegen vier treten in sehr ungleichen Rollen gegeneinander an, wie immer hängt der eigene Spaß von den MitspielerInnen ab: Wer als koordiniertes Freundesteam antritt, ärgert sich bedeutend weniger über das aktuell noch unbefriedigende Matchmaking und die hin und wieder übermächtigen anderen Teams.

Rogue Legacy 2

Xbox

(Windows, Xbox, 21,99 Euro)

Der erste Teil aus dem Jahr 2013 war eines der ersten modernen Action-Rogue-lites, Rogue Legacy 2 ist soeben frisch aus einer längeren Early-Access-Phase in 1.0 erschienen. Wie im Original geht es als tapferer Ritter einer ganzen Sippschaft von HeldInnen in stets neue Dungeons und Schlösser in den Kampf. Besonders der neue Grafikstil bringt das unzerstörbare Spielprinzip in die Gegenwart.

Springen, Kämpfen, Aufleveln, beim Tod zurück zum Start, das ist Genrestandard: Was Rogue Legacy besonders macht, ist, dass man beim Tod jedes Mal als neuer Spross der mächtigen Heldendynastie an den Start geht, und das mit ganz eigenen genetischen Besonderheiten. Zusätzlich zu den bekannten, mal positiven, mal, nun ja, speziellen Erbschaftsmerkmalen – Kurzsichtigkeit, Zwergenwuchs etc. – gibt es diesmal unterschiedliche Charakterklassen. Wie es überhaupt diesmal mehr von allem gibt. Eine sichere Bank nicht nur für Fans des ersten Teils.

Turbo Overkill

Apogee Entertainment

(Windows, Early Access, 16,79 Euro)

Von einem Spiel mit dem Namen Turbo Overkill erwartet niemand Subtilität, doch der neuseeländische Retro-Shooter verdreht auch brachiale Kost gewohnten Spielerinnen den Kopf. Mit so viel Speed ist man nicht einmal in den Original-Egoshootern Ende der Neunziger durch die Polygonwelten gefetzt, und eine Kettensäge als rabiate Beinprothese sieht man auch nicht jeden Tag.

Turbo Overkill ist rasend unterhaltsam, schnell, bunt und räudig, gerade so wie eine umwerfend charismatische C-Movie-Trashversion von Cyberpunk 2077. Ein pixeliger Bastard aus Ghostrunner, DUSK, Doom Eternal und Ultrakill – und ein neuer Boomer-Shooter-Darling. (Rainer Sigl, 30.4.2022)