Leger und lässig statt geschleckt und gebügelt: Taj Mahal (links) und Ry Cooder rumpeln und räuspern sich durch populäre Songs des Folk-Blues.

Foto: Abby Ross

Der eine konnte nicht sehen, der andere schwer gehen. Doch wenn der Harmonikaspieler Sonny Terry und der Gitarrist Brownie McGhee loslegten, waren Handicaps vergessen. Die beiden schwarzen Folk-Blueser zählten zu den angesagtesten Acts der New Yorker Folk-Szene der 1940er. Mit beträchtlichem Erfolg, denn die beiden zielten früh auf ein weißes Publikum ab, überlegten, was diesem gefallen könnte.

In den 1960ern saß drüben an der Westküste in einem ihrer Konzerte der junge Ryland Cooder und hatte ein Erweckungserlebnis. Eines von vielen, und eines, das bis heute nachwirkt. Zusammen mit Taj Mahal veröffentlichte Cooder eben das Album Get On Board – The Songs of Sonny Terry & Brownie McGhee. Es ist eine charmant rumpelnde Hommage, eine Sammlung aus Blues und Folk, Blue-Collar- und Hobo-Musik.

Keine Schublade

Wie viele Alben des US-Amerikaners Cooders platzt es atmosphärisch aus allen Nähten. Nicht weil er dafür so viel Aufwand betriebe, sondern weil er nur das Notwendigste spielt – mit möglichst geringem Aufwand, dafür lässig. Taj Mahal war dafür der beste sich bietende Mitstreiter.

Nonesuch Records

Schon im Jahr 1965 spielte er mit Cooder in der Band Rising Sons. Aus denen wurde nichts, Mahal und Cooder machten dennoch Karriere, wurden jeder auf seine Art Weltstars. Heute 75 (Ry) und knapp 80 (Taj) ist Get On Board ein Blick zurück an den Start ihrer jeweiligen Laufbahnen.

Beide Musiker sind in keine Schublade zu stecken, ihre Arbeiten umfassen zu viele verschiedene Stile: Blues, Folk, Rock, kubanische Musik, westafrikanische Musik, Reggae, Tex-Mex, Jazz ... – sie haben mit den Rolling Stones genauso gespielt wie in den Küchen fast vergessener Folkies. Und Cooder hat mit dem Buena Vista Social Club kubanische Altspatzen aus der Pension geholt und sie weltberühmt gemacht.

Schiefes Klavier

Um die nun veröffentlichten Erzählstücke aus dem Werk von Musikern wie Leadbelly, McGhees Bruder Stick McGhee oder Traditionals im Sinne der zu ehrenden Musiker zu interpretieren, wurde das Album weitgehend live aufgenommen. Cooders Sohn Joachim spielt Schlagzeug und Bass, den Rest besorgen die beiden Stars. Schon das Artwork des Covers ehrt die verstrichene Ära, ist in Schwarz-Weiß gehalten und im Stil früher Terry-McGhee-Alben.

Nonesuch Records

Deren legere Spielweise konveniert bestens mit jener von Cooder. Ihn inspirierte immer jene Musik am meisten, in der das Dreckige und Unperfekte erhalten blieben; es vermittelt jene Authentizität, die dem Hochglanzprodukt fehlt. Und natürlich verlangt ein Jump-Blues wie Drinkin’ Wine Spo-Dee-O-Dee eine grundsätzliche Räudigkeit, klar braucht ein Scheidungslied wie My Baby Done Changed The Lock On The Door die Unschärfe von Wut, Verzweiflung und Schnaps zum Frühstück.

Mit etwas schiefem Klavier und Handclaps ergibt das eine Weihestunde. Man möchte dazu Feuerwasser aus dem Tonkrug trinken und mit dem Maisbrot die letzten Bohnen aus dem Blechteller wischen. (Karl Fluch, 30.4.2022)