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Die Traktoren von John Deere sind mit Hightech vollgestopft, hier etwa ein selbstfahrendes System.

Foto: Bill Krzyzanowski / AP

Was braucht es, um einen Traktor zu starten? In früheren Jahren war die Antwort auf diese Frage recht einfach: den richtigen Schlüssel und ein minimales Grundverständnis davon, wie so ein Fahrzeug funktioniert. Anders gesagt: nicht sonderlich viel. Dass sich aber auch in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren viel verändert hat, müssen nun russische Militärs zur Kenntnis nehmen, wie der Nachrichtensender CNN berichtet.

Diebstahl

In der derzeit von russischen Truppen besetzten ukrainischen Stadt Melitopol haben Soldaten insgesamt 27 Traktoren und Mähdrescher aus dem Bestand eines lokalen Händlers gestohlen. Der Gesamtwert des Diebesguts wird mit rund fünf Millionen US-Dollar angegeben. Der hohe Wert ergibt sich daraus, dass es sich dabei um Maschinen der US-Firma John Deere handelt. Diese sind mit Hightech geradezu vollgestopft und haben mit dem, was sich viele unter solchen Gefährten vorstellen, nur mehr begrenzt etwas zu tun.

Insofern könnte man also meinen, dass den russischen Angreifern hier ein äußerst erfolgreicher Raubzug gelungen ist. Laut Aussagen der ansässigen ukrainischen Bevölkerung sollen sich einzelne Einheiten des russischen Militärs entsprechend auch regelrecht darum gestritten haben, wer welche Fahrzeuge stehlen darf.

Deaktivierung

In Russland angekommen, dürfte die Freude über den vermeintlich großen Fang aber schnell wieder verflogen sein – heißt Hightech doch in diesem Fall, dass sich die Geräte auch von außen deaktivieren lassen. Und genau das hat der Hersteller bereits kurz nach dem Diebstahl gemacht, die Maschinen lassen sich also nicht einmal mehr starten.

Zudem ließ sich dank dieser Diebstahlsicherung auch nachvollziehen, wohin die Geräte transportiert wurden. Ein großer Teil davon soll demnach schlussendlich in Zakan-Jurte und damit einer Ortschaft in ländlichen Regionen von Tschetschenien gelandet sein.

Reste

Laut der Fernüberwachung von John Deere sollen die Diebe noch versucht haben, die Sperren der Geräte zu überwinden, womit sie aber keinen Erfolg hatten. Insofern bleibt ihnen nur mehr die Möglichkeit, diese zu zerlegen und Einzelteile zu verwenden – zumindest da, wo das möglich ist. Deren Wert liegt allerdings weit unter dem, was die vollständigen Geräte einbringen.

Umbruch in der Landwirtschaft

Der Vorfall zeigt nicht zuletzt, wie stark die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren digitalisiert wurde. Erst unlängst hat John Deere etwa einen Traktor vorgezeigt, der vollständig autonom agiert, also mit einem selbstfahrenden System ausgestattet ist. Mithilfe von sechs Stereokamerapaaren hat das Gerät einen Rundumblick und kann dank künstlicher Intelligenz auf die Umgebung reagieren, also etwa stoppen oder ausweichen, wenn es wo notwendig wird. Die Genauigkeit der Fahrten soll dabei bei 2,5 Zentimeter liegen.

Kontroverse Entwicklung

Diese fortschreitende Digitalisierung ist aber längst nicht unumstritten. So musste sich etwa gerade John Deere über die Jahre immer wieder Kritik anhören, sind die Geräte dadurch doch ohne Hilfe des Herstellers kaum mehr reparierbar.

Im Rahmen der CES 2021 wurde denn auch einer der Mähdrescher des Unternehmens von der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) mit dem Negativpreis Worst of Show (also Das Schlechteste der Veranstaltung) ausgezeichnet. Dieser sei ein "goldener Käfig" mit proprietären Anschlüssen und Ersatzteilen.

In der Vergangenheit war John Deere auch immer wieder gegen Bastler vorgegangen, die eigene Software auf den landwirtschaftlichen Geräten installieren wollen. Damit setzt sich bei landwirtschaftlichen Geräten ein Trend fort, der aus anderen Bereichen bereits bekannt ist. Viele Smartphones sind etwa ähnlich versperrt und versuchen die Nutzung alternativer Software gezielt zu verhindern. (apo, 2.5.2022)