Mit über 600.000 verkauften Exemplaren legte "BRZRKR" im Vorjahr in den USA einen fulminanten Start hin.

Cross Cult

Comics haben in den USA einen ungleich höheren Stellenwert als im deutschsprachigen Raum. Dennoch leidet die Branche seit Jahren unter sinkenden Verkaufszahlen. Umso erstaunlicher war es, mit welcher Leichtigkeit es dem kanadischen Schauspieler Keanu Reeves 2020 gelang, über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter rund 1,4 Millionen Dollar für sein Comic-Debüt BRZRKR zu sammeln. Rund ein Jahr nach dem erfolgreichen US-Release erscheint der erste Band nun auch in deutscher Sprache.

Auf den Leib geschrieben

Zusammen mit dem New York Times-Beststellerautor Matt Kindt und dem Zeichner Ron Garney erzählt Reeves die Geschichte des Halbgottes Berzerker, der aufgrund seiner Unverwundbarkeit von der US-Regierung für Einsätze ausgesucht wird, die sonst keiner machen will oder kann. Der erste Sammelband erzählt allerdings vor allem von den Umständen seiner Geburt vor rund 80.000 Jahren und davon, wie er in dieser Zeit von seinem Vater nie als Sohn, sondern vielmehr als Waffe gesehen und eingesetzt wurde.

Getrieben wird die Geschichte vor allem durch rohe Gewalt, die von Garney eindrucksvoll inszeniert oder vielmehr zelebriert wird. Wenn der Halbgott mit leuchtenden Augen einen Leoparden in zwei Hälften reißt oder einen Mann mit einem kräftigen Axthieb spaltet, dann versuchen auch immer die sich anpassende Farbgebung und die sich ständig wechselnde Anordnung der Panels, die Dynamik der Zeichnungen zu unterstreichen.

Mehr Blut als Text

Trotz der Gewalt punktet die Geschichte auch mit ihren leisen Tönen. Etwa dann, wenn die Mutter den Fluch ihres nach Sinn suchenden Sohnes heilen will oder die Ärztin der Regierung in Gesprächen die Erinnerung des Berzerkers anzuzapfen versucht, um den Ursprung des Superhelden zu verstehen.

Berzerker ist sicher keine inhaltliche Revolution des Genres. Gewalt wurde schon von anderen Antihelden unterschiedlich motiviert in Szene gesetzt, und auch Geschichten eines innerlich zerrissenen Superhelden gab es schon zuhauf. Der Erfolg, der zum Start sicher von dem auch in der Nerd-Kultur angesehenen Keanu Reeves getragen wurde, beruht aber wohl primär auf dem Mut, eine neue Figur in diese von alteingesessenen Platzhirschen dominierte Branche zu bringen. John Wick trifft auf Conan – das hat offenbar einen Nerv getroffen, der in BRZRKR seine gelungene Verschmelzung gefunden hat.

Da auf den wenigsten der 140 Seiten mit längeren Texten gefüllte Sprechblasen zu finden sind, ist man schnell am Ende des ersten Bandes angelangt. Die liebevoll inszenierten und oftmals kreativen Panels laden allerdings zu einem erneuten Durchblättern ein. Bis man den nächsten Sammelband in deutscher Sprache in Händen hält, kann es allerdings noch dauern. Band zwei ist erst im April 2022 in den USA erschienen. Der letzte Band ist für September 2022 geplant.

In der Zwischenzeit wird bei Netflix bereits an einem gleichnamigen Film gearbeitet, wie der Streamingdienst im März wissen ließ. Auch eine Anime-Serie zu BRZRKR soll bereits in der Konzeptphase sein. (Alexander Amon, 5.5.2022)