Das Auge trügt wirklich nicht. Das Frühjahr begrüßt uns mit spürbaren modischen Veränderungen. Die coolen Kids tragen nämlich statt Sneakern immer öfter Herrenschuhe, Logo-T-Shirts weichen edleren Hemden und Trainingshosen. Diesmal aber bitte mit Bundfalte! Hypebeast wird zu Business Casual. Wir kleiden uns gerne wieder aufwendiger und lassen Athleisure endgültig im Kleiderschrank verstauben. Ganz nach dem Motto: Lass uns doch die Quarantäne verlassen, lass uns zur Abwechslung wieder Mühe geben.

Das Modelabel Miu Miu interpretiert den Preppy-Look in diesem Frühjahr knapp und sexy.
Foto: Imago / Xinhua

Doch es sind nicht nur Business-Looks, die unsere Garderoben im Sturm erobern. Wir feiern ein Achtziger-Revival. Der damals angesagte "Preppy-Style" ist zurück und wird konsequent angezogen. "Prep" ist die Kurzform von "preparatory" und steht für amerikanische und britische Eliteschulen, wo Sprösslinge der Upperclass vorbildlich im Champagnersäbeln oder dem Verprassen von Treuhandfonds ausgebildet werden.

Das Schnösel-Programm erfordert natürlich einen ebenso elitären Look – die Preppy-Ästhetik. Getragen wird diese von der sogenannten WASP (White Anglo-Saxon Protestant) Society, der berühmte Familien wie die Kennedys angehören. Die Modewelt reagierte darauf verstärkt in den 2000ern, der Traditionsmarke Ralph Lauren sei Dank.

Funktion nach innen und außen

Hierzulande kennt man den Preppy-Look vor allem durch Blair Waldorf aus Gossip Girl, Cher Horowitz aus Clueless oder dem Gilmore Girl Rory. Schottenkaro, Blazer, Haarreifen, Dramen und Privilegien inklusive. Schuluniformen existieren in Österreich höchstens in einer Handvoll Privatschulen, wie zum Beispiel dem Sacré Coeur in Wien.

Michaela Lindinger, Kuratorin der Modesammlung des Wien-Museums, erklärt: "Eine vergleichbare Uniformierung gab es in Österreich nur in den Kinderhorten der 1920er-Jahre, im sogenannten Roten Wien. Kinder trugen dort schwarze Schürzen über der Alltagskleidung, auch um das Zugehörigkeitsgefühl zu fördern."

Wie Lindinger erläutert, haben Uniformen eine Funktion nach innen – Trägerinnen und Träger fühlen sich einer Gruppe oder sozialem Gefüge zugehörig. Aber auch eine Funktion nach außen – jeder erkennt durch das uniforme Erscheinungsbild sofort, welcher Gruppe man zugeordnet werden kann.

In Pastell-Polos durchs Internet

Die Gruppendynamik spielt auch bei den aktuellen Auswüchsen dieses Trends eine große Rolle. Auf Tiktok und Instagram findet Preppy-Style unter den Hashtags "Dark Academia" bzw. "Light Academia" statt. Ersteres verbindet man mit dunklem Tweed, abgewetzten Ledertaschen, gebundenen Erstausgaben und dem Schmökern in dunklen Bibliotheken – man denkt dabei an Filme wie Der Club der toten Dichter.

Letzteres geht stattdessen in die Richtung luftiger Hemden auf Yachten, pastelliger Polohemden, Segelschuhen und eventuell auch einer leicht überheblichen Schnösel-Attitüde – stilistisch wie Der talentierte Mr. Ripley.

Bild nicht mehr verfügbar.

2020 wartete die Serie "Gossip Girl" mit Schlips und Kragen auf.
Foto: Picturedesk.com / Kristin Callahan / Everett Colle

Optisch gesehen handelt es sich dabei vielleicht um eine neue Romantik-Welle. Man fläzt sich mit Kniestrümpfen und Faltenrock in pittoreske Ohrensessel und liest komplexe Texte zu Philosophie. Auf der anderen Seite des Fensters wüten Pandemie und Krieg. Ein Statussymbol und Privileg, das nicht umsonst als elitär und nichtinklusiv kritisiert wird.

Den Preppy-Look liebt man derzeit aber nicht nur im Internet, sondern auch auf dem Laufsteg. Wahrlich ein popkultureller Hype! Die "Über-Looks" der Saison sind die Styles der Miu-Miu-Kollektion für den Frühling 2022. Das Gros besteht aus Abwandlungen des immergleichen Ensembles. Preppy-Elemente, jedoch neu von Star-Stylistin Lotta Volkova interpretiert. Gezeigt wurden Klassiker wie Loafer, Kniestrümpfe, Trench-Coats sowie Hemden in bauchfrei und mit abgekiefelten Säumen.

Ohne Logos

Diese Uniform fegte nur so durch Instagram und inspirierte auch die 17-jährige Schülerin Ashley Langholtz. Sie widmete dem Look einen eigenen Instagram-Account. Langholtz sagt über die Gründung der Seite: "Ich habe den Account ehrlich gesagt damals als Scherz gestartet. Ich wachte eines Morgens auf, und mein kompletter Feed war voll mit Bildern des Miu-Miu-Looks. Ich habe dann einen Ort geschaffen, um all diese Inhalte zu sammeln."

Und dieser scheint relevant, der Account @miumiuset zählt momentan rund 6.000 Follower. Langholtz selbst ist ein großer Fan des Looks, der sie an ihren Geburtsort New England in den USA erinnert, die Heimat der Ivy-League-Schulen: "Ich verstehe das Miu-Miu-Set auf jeden Fall als Auswuchs des Preppy-Styles und finde es toll, dass es nun Einzug in den Mainstream findet."

Elitäre Ästhetik und Attitüde hin oder her, der Preppy- Style ist erfrischend. Dieser kommt nämlich weitgehend ohne Logos aus und kann easy durch Vintage-Stücke nachempfunden werden. Die Basics dafür gibt es im Kleiderschrank eines mittelalten Mannes aus der Verwandtschaft gratis – oder eben im Secondhandshop des Vertrauens.

Und wer weiß, vielleicht wird so die elitäre Academia-Ästhetik schlussendlich doch noch demokratisiert. Mehr inklusiv, weniger exklusiv wäre wünschenswert. (Julia Deutsch, RONDO, 9.5.2022)