Früher wären es tausend Rosen gewesen, heute sind es tausend SMS. Dazwischen ehrfürchtig gehauchte Sätze wie: Endlich macht mein Leben Sinn. Ich habe nicht mehr daran geglaubt, aber Du bist the one. – Ja, man könnte eine ganze Buchreihe über derartige Heilsversprechen schreiben.

Regelmäßig erzählen einem Freunde Horror-Storys wie: "Gestern noch wollte sie mir ihre Eltern vorstellen. Heute ist sie auf unbestimmte Zeit verreist." – "Nach der zweiten Nacht träumte er davon, mit mir aufs Land zu ziehen. Nach der dritten störten ihn nicht nur meine Kleidung und meine Bettwäsche, sondern auch mein Parfum."

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Vorsicht, Paradies

Hand aufs Herz: Wurde nicht jeder von uns schon einmal Opfer eines magischen Trickbetrugs? Was kein Wunder ist, schließlich bekam man als Kind nonstop die "Liebe auf den ersten Blick" in Märchen und Filmromanzen erzählt. Und bleibt bis heute anfällig für toxische Beziehungen aller Art.

Was hat es nun mit dem Liebes-Bombardement auf sich, das gerade in aller Munde ist? In den USA der 1970er-Jahre nannte man so die gängige Praxis von Sektenmitgliedern, Rekruten anzuwerben. Als Mittel zum Zweck dienten unendliche Aufmerksamkeit und Hingabe.

Und wie in einer Sekte funktioniert das übersteigerte Liebeswerben im heutigen Dating-Business: zuerst Schwüre und Manipulation. Dann Abwertung, Vorwürfe und Desinteresse. Dieses Überschütten mit Zuneigung, Geschenken und Versprechungen für die Zukunft gefolgt von einem schlagartigen Erkalten wirkt verstörend. Es kann Betroffene auch in ernstzunehmende seelische Krisen stürzen.

Feuer und Eis

Der Psychologe Dale Archer bezeichnet die Phasen des Love-Bombing so: "intensive Idealisierung, Abwertung, Verlassen". Er rät zur Identifizierung des narzisstischen Verhaltensmusters durch die Methode SLL ("Stop, Look, Listen"): stehen bleiben, hinsehen, zuhören. Danach rät Archer zum Abbruch des Kontakts zu dem Missbraucher. Was unter Umständen nur funktioniert, indem man sich Unterstützung von Familie, Freunden oder Experten holt.

Nach dem Sturm

Love-Bombing ist übrigens nicht immer böse gemeint. Oft ist es weitgehend unbewusst. Es geht darum, die andere Person wirklich zu bekommen. Leider kann der Jäger danach nichts mehr mit seiner Beute anfangen, wie ein Kind im Spielzeugland. Hollywoodstar Anjelica Huston kannte das Spiel. Als Jack Nicholson via Helikopter tausend Rosen auf ihr Anwesen regnen ließ, kam sie erst gar nicht aus dem Haus. (Ela Angerer, RONDO, 8.5.2022)