Es könnte so schön sein. Mit langer Hose, Pullover und Sonnenbrille unterm Helm durch die Frühlingssonne fahren, während einem die angenehme Brise ins Gesicht weht. Die Wahrheit ist: Es regnet, die Knöchel an den Händen frieren fast ab, und der Wiener Wind versucht einen stetig von der Straße auf den buckligen Grünstreifen zu schieben.

Fesch sieht er ja aus. Also der Unu. Für das, was da auf ihm draufsitzt, kann er ja nichts. Auf dem Bild übrigens eher schlecht zu erkennen: sehr kalte Finger.
Foto: Stockinger

Der Roller kann nichts für das Wetter, dieser Umstand oder, besser gesagt, diese Nutzung ist dem Fahrer allein zuzuschreiben. Also, selber schuld. Aber was nimmt man nicht alles in Kauf, wenn man einen Unu-Roller für ein paar Tage zur Verfügung gestellt bekommt. Genau, so viel fahren wie möglich.

Wirklich überraschen sollte ein Roller heutzutage niemanden mehr, aber nur zur Sicherheit: Der Unu hat zwei Räder, ein Lenker samt Gasgriff rechts, zwei Bremshebel für hinten und vorne, dazu einen Knopf für die Hupe und einen für die Blinker. Das Display in der Mitte zeigt nur die nötigsten Dinge an: Geschwindigkeit, Ladestand der Batterie und einen großen Pfeil, sobald der Blinker aktiviert ist. "Der wurde gerne schon mal vergessen, bevor die große Anzeige mit einem Update kam", sagt die Pressevertreterin.

Doppelt hält besser

Die bis zu zwei Batterien können platzsparend unter dem Sitz verstaut werden ...
Foto: Unu

Was dann doch überraschend ist: Der Unu wird nicht von einem kleinen Verbrenner betrieben, sondern mit einem Elektromotor von Bosch (Leistung: 3 oder 4 kW, je nach Ausstattung) und einem 1,78-kWh-Lithium-Ionen-Akku. Dieser soll laut Herstellerangaben rund 50 Kilometer Reichweite bereithalten – das deckt sich mit unseren Erfahrungen. Wie bei allen Akkus leidet die Leistung unter kälteren Bedingungen (Stichwort: frierende Hände) und erhöhtem Leistungsdruck, etwa wenn es bergauf geht. Die Straße den Kahlenberg hinauf mit rund 30 Prozent schafft der Unu zwar, die letzten Kilometer (und die letzten Prozent) muss man allerdings mit rund 20 km/h auskommen. Zu empfehlen ist, und dafür ist der Unu auch ausgelegt, einen zweiten Akku direkt dazuzukaufen. Somit kommt man bis zu 100 Kilometer weit und muss keine Angst haben, unterwegs plötzlich liegen zu bleiben.

... und dann gehen sich nicht nur der Helm, sondern auch eine große Sporttasche aus.
Foto: Unu

Geladen werden die Akkus über ein 220-V-Ladegerät, meist in den eigenen vier Wänden. Die Akkus können dort angesteckt werden. Wer einen leeren Akku hat, der muss rund sieben Stunden warten, bis dieser wieder voll im Saft steht. Also wunderbar für den Büroalltag. Und auch für den sonstigen: In den Stauraum unter dem Sitz passt sogar eine große Sporttasche.

Das Fahrverhalten des Unu ist für einen Rollerlaien wie mich über jeden Zweifel erhaben. An der Ampel gibt es wohl kaum einen Verkehrsteilnehmer, der schneller vom Fleck kommt. Und die Höchstgeschwindigkeit von 50 (an guten Tagen 52) km/h reicht für den Stadtverkehr völlig aus. Und wenn Sie sich schon mal über Rollerfahrer aufgeregt haben, die sich am stehenden Verkehr vorbeischlängeln, dann sage ich Ihnen: Sie würden das auch machen, wenn Sie nur könnten! Selten habe ich den Weg zur und von der Arbeit schneller zurückgelegt, selten bekam ich dabei den Kopf freier. Trotzdem ist es ein komisches Gefühl, auf den Straßen "im Freien" zu sitzen, wenn man normalerweise von Tonnen von Karosserie umringt ist.

Die Batterie ist zwar stylish und daheim einfach zu laden, aber auch ein ordentlicher Brocken zu tragen.
Foto: Unu

Und nicht jeder ist davon begeistert. Der motorradaffine Kollege sagt dazu nur ironisch: "Der rucklerte Radnabenmotor, das Fahrwerk aus einer Scheibtruchn und die Bremsen von einem Blumenwagl? Genau meine Mischung."

Neun Jahre Öffis

Und auch ich habe ein ein paar Kleinigkeiten zu bemängeln. Wie schon anfangs beschrieben, so ein Roller ist nicht für jede Wetterlage geeignet, auch wenn das alte Sprichwort hier zum Tragen kommt: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung. Die Akkus sind mit rund zehn Kilo das Stück nicht ganz einfach zu tragen, über weite Strecken sollte man sie also nicht per Hand transportieren müssen. Und leider fehlt dem Unu nicht nur ein Navigationssystem (oder gar eine Handyhalterung für die Navigation per Smartphone), sondern auch eine Möglichkeit zum Schnelladen an 11-oder-mehr-kW-Säulen.

Und wenn wir schon bei Kritik sind, muss auch der Preis angesprochen werden. Ab 2.399 Euro ist der Unu zu haben – dann aber nur mit einem Batterie-Abo, das bei 39 Euro pro Monat (für drei Jahre) startet und auf bis zu 105 Euro pro Monat für zwei Akkus hochgehen kann. Wer das nicht will, der kann die Batterie auch kaufen und zahlt dann für die niedrigmotorisierte Variante 3.349 Euro, die zusätzliche Batterie kostet noch einmal 790 Euro. Zum Vergleich: Für das Geld kann man die Öffis in Wien für rund neun Jahre benutzen. (Thorben Pollerhof, 4.5.2022)