Bei Dissens der drei Chefredakteure entscheidet ORF-General Roland Weißmann.

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Wien – Ab 20. Juni ist der ORF-Generaldirektor zugleich der Infochef über alle Medien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – TV, Radio, Online. Mit dem neuen multimedialen Newsroom, den mehr als 400 Journalistinnen und Journalisten mit 16. Juni beziehen sollen, wird in der Generaldirektion eine Hauptabteilung "ORF-News" eingerichtet. Mit gleich drei Hauptabteilungsleitern.

Gemeinsam gleichberechtigt Personal verteilen

Diese Infozentrale des ORF sollen die bisherigen Chefredakteure von TV, Radio und Online – Matthias Schrom, Hannes Aigelsreiter und Christian Staudinger – "gleichberechtigt" führen, steht in der Organisationsanweisung, die ORF-General Roland Weißmann mit 1. Mai fixiert hat.

Die noch von Alexander Wrabetz als ORF-Chef (bis Ende 2021) entworfene und über Monate diskutierte Anweisung bekam damit eine – gegenüber den berichteten Entwürfen – nicht grundlegend neue, aber gültige Fassung.

Die neue Dreier-Chefredaktion hat nach dieser Organisationsanweisung eine "gemeinsame Entscheidungskompetenz bei Dissens zwischen den einzelnen (künftig multimedialen) Ressorts, Funktionsgruppen, Sendungs- beziehungsweise Plattformteams der Hauptabteilung in tagesaktuellen Ressourcen-, Dispositions- und Publishingfragen".

Die Anweisung verlangt eine "gemeinsame Vorgehensweise" insbesondere für "Berichterstattung im Krisenfall, Einsatz der Korrespondentinnen und Korrespondenten, Personalverteilung innerhalb der Hauptabteilung, Personalressourcen und Personaleinsatz am Newsdesk, Sitzungsorganisation", ergänzt um ein etwas allgemeines "etc.".

"Generaldirektor einzubinden"

Und was, wenn die drei sich streiten? "Kann in wesentlichen Fragen kein Konsens gefunden werden oder auf Verlangen eines Chefredakteurs ist der Generaldirektor in die Entscheidungsfindung einzubinden" – für mögliche künftige Konstellationen sind auch Chefredakteurinnen und Generaldirektorinnen angeführt, derzeit sind in beiden Funktionen Männer tätig und sollen das auch im gemeinsamen Newsroom bleiben.

Die drei Chefredakteure können Aufgaben wie Planung und Koordination der TV-, Radio- und Onlineinfo, Innovationsmanagement, Koordination von Ressourcen zwischen Ressorts und Sendungsteams und Abstimmung der Produktionsprozesse mit der Technik untereinander aufteilen, heißt es in der Anweisung – sie sollten die Zuständigkeiten innerhalb ihrer Hauptabteilung naturgemäß auch kommunizieren. Da dürfte es zwischen Schrom, Aigelsreiter und Staudinger bis zum Einzug noch einiges zu besprechen geben, danach ohnehin laufend.

Disziplinär und fachlich dem General unterstellt – bis auf die Unabhängigkeit

Die drei Chefredakteure sind dem ORF-General disziplinär unterstellt; fachlich ebenso – "außer im Rahmen der journalistischen Unabhängigkeit, dort sind sie weisungsfrei", heißt es in der Organisationsanweisung.

Das ORF-Redakteursstatut zur Unabhängigkeit, noch ungegendert: "Jeder Redakteur des ORF ist im Rahmen der Bestimmungen des ORF-G in Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit unabhängig." Und: "Kein Redakteur darf verhalten werden, in Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit etwas abzufassen oder zu verantworten, was der Freiheit der journalistischen Berufsausübung widerspricht. Aus einer gerechtfertigten Weigerung darf ihm kein Nachteil erwachsen."

Die weiter bestehenden Sendungsteams sind jeweils dem für das Medium zuständigen Chefredakteur "fachlich oder disziplinär unterstellt" – also etwa die Ö1-"Journale" weiter Hannes Aigelsreiter oder die "ZiB 2" Matthias Schrom.

Der Dreier-Chefredaktion gemeinsam sind die Leiterinnen der künftig multimedialen Fachressorts, des zentralen Newsdesks für alle Kurznachrichten von Social Media bis ORF 3 "fachlich und disziplinär unterstellt".

Erst Newsdesk, dann Ressorts

Die zentrale Schaltstelle des neuen Newsrooms für schnelle Informationen soll nun sehr rasch ausgeschrieben werden, soll General Weißmann nun intern angekündigt haben, ebenso die Funktion einer Newsroom-Managerin oder eines Newsroom-Managers.

Die Ausschreibung der multimedialen Ressortleitungen dürfte intern noch etwas auf sich warten lassen. Weißmann soll die Chefredakteure gebeten haben, die Details dazu, etwa die Zuordnung des Themengebiets Europa, derzeit bei der Innenpolitik, noch gemeinsam zu klären.

Schaumgebremstes Newsroom-Boarding

Die Verantwortung des Generaldirektors auch für die Information wird in der Organisationsanweisung durch ein neues Gremium ein wenig schaumgebremst: Die fachlichen Entscheidungskompetenzen des Generals – nicht die disziplinären – werden demnach "im Sinne transparenter Entscheidungsprozesse im Rahmen des Newsroom-Boards ausgeübt".

Dem Board gehören laut Anweisung der Channel-Manager von ORF 2 (derzeit Alexander Hofer), die Radiodirektorin (Ingrid Thurnher) und der Onlineverantwortliche (Stefan Pollach) an. "Bei journalistisch relevanten Fragen sind die Chefredakteurinnen und Chefredakteure stimmberechtigt beizuziehen. Journalistisch relevante Entscheidungen werden protokolliert und dem Redakteursrat mitgeteilt."

Entscheidend bleibt der General: Das "Newsroom-Board" entscheidet mit Mehrheit, bei Stimmengleichheit der Generaldirektor.

Die Redaktionen von TV, Radio und Online sollen den Newsroom im ORF-Zentrum am 16. Juni besiedeln, insbesondere im Radio sorgen die Fronleichnamsprozession auf den Küniglberg und Sorgen um künftige Arbeitsbedingungen, Konkurrenz mit dem (budgetär) übermächtigen Fernsehen und Eigenständigkeit für einige Unruhe. (fid, 3.5.2022)