Hat derzeit viele Baustellen in- wie aushäusig und Sorgenfalten: Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer.

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Wien – In der Wirtschaftsbund-Inseratenaffäre tritt Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) sozusagen die Flucht nach vorne an: Am Mittwoch tagt das erweiterte Präsidium der Bundeswirtschaftskammer, und der Präsident, der zugleich dem Wirtschaftsbund vorsteht, will neue Richtlinien beschließen lassen. Demnach dürfen in Fraktionsmedien keinerlei Schaltungen (Inserate) mehr gemacht werden, kündigte Mahrer in einem Pressegespräch an.

So ein Beschluss ist bindend für alle 694 Fachorganisationen und ausgegliederten Einheiten wie das Wifi. Das Geld aus der sogenannten Wählergruppenförderung (so heißen die Fraktionen in Analogie zu Parlament und Parteienförderung) dürfe bereits jetzt nicht für derartige Zwecke verwendet werden.

"Neue Guidance"

Mahrer beharrt nach wie vor darauf, dass "keine der bisherigen Schaltungen widerrechtlich" erfolgte. Das habe eine intern durchgeführte Zahlenerhebung bestätigt. Demnach wurden von insgesamt 22,6 Millionen Euro an Inseratengeld 16,3 Millionen bei der RTR gemeldet. Der Rest sei unter der Schwelle und damit nicht meldepflichtig gewesen.

Mit der neuen "Guidance" solle sichergestellt werden, dass alle Selbstverwaltungskörper der weitverzweigten WKO-Organisation demselben Regime unterworfen sind. "Ich will solche Schaltungen nicht mehr, und wir brauchen diese ganze Debatte nicht." Unschwer zu überhören, dass Mahrer unzufrieden ist. Darüber hinaus schlägt er vor, dass sich alle Selbstverwaltungskörperschaften in Österreich wie Kammern und Sozialversicherungen diesen Regeln unterwerfen.

Wo ist der Masterplan?

Mit Unzufriedenheit hält der Kammerpräsident auch hinsichtlich der aktuellen Energiekrise nicht hinterm Berg. "Wir brauchen einen Masterplan, und zwar sehr rasch." Die Information des Klimaschutzministeriums über den Stresstest vor zwei Wochen sei extrem unbefriedigend gewesen. Es sei nicht klar, ob es einen Masterplan gibt für den Fall teilweise oder ganz ausbleibender Gaslieferungen aus Russland. Die Situation sei für viele Betriebe beängstigend. "Ich hoffe, dass es einen Plan gibt für diverse Szenarien und vor allem für die Transformation der Energiesysteme."

Unschwer zu erkennen, was Mahrer damit meint: die Rangfolge, nach der gasabhängige Unternehmen im Fall eines Lieferausfalls bedient werden. Davon hängt maßgeblich ab, ob und wie der Dominoeffekt abläuft, nach dem die Produktionen ohne Gaszufuhr "fallen". Eine Prioritätenumkehr, wie sie gerade in Deutschland diskutiert wird, fordert Mahrer ausdrücklich nicht. "Aber wir brauchen einen Masterplan, Plan- und Leistbarkeit von Energie."

Priorisierung nach Wirkung

Wie berichtet drängen deutsche Industrieverbände darauf, im Fall des Falles nicht nachrangig versorgt zu werden, also nach den Privathaushalten, sondern auf eine Priorisierung nach Folgewirkungen, etwa nach der Zahl der betroffenen Arbeitsplätze. Aktivitäten vermisst Mahrer auch bei Energiepartnerschaften, insbesondere bei Flüssiggas (LNG). Wo die dazugehörigen LNG-Terminals errichtet würden, sei zweitrangig, aber Österreich werde sich an den Kosten beteiligen müssen.

Auch der dazugehörige Pipelinebau müsse organisiert werden, sonst bleibe die Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Gas Illusion. Die Trans-Austria-Gasleitung nach Italien sei ausgelastet, es brauche neue Kapazitäten.

Steuerreform vorziehen?

Stichwort Arbeitsplätze: Bei den Antiteuerungsaktivitäten der Regierung drängt Mahrer zur Eile und "weg von der Gießkanne". Entlastung würde ein Vorziehen der Steuerreform bringen, zum Beispiel bei der Körperschaftssteuer. Die Steuer auf Unternehmensgewinne wird ja ab 1. Jänner 2023 stufenweise von 25 auf 23 Prozent gesenkt. Das könnte man auf Juli vorziehen. Offen ist auch die Strompreiskompensation für energieintensive Betriebe, das könnte Inflationsschübe im Fall von Öl- und Gasmbargos abfangen. (Luise Ungerboeck, 4.5.2022)