Staubtrockene Wiesen und Felder könnten auch in Österreich von der Ausnahme zur Regel werden.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Wir alle kennen die Bilder verdorrter Felder, vertrockneter Pflanzen und von Trockenheit aufgerissener Erde. Zumeist erreichten uns derartige Fotos aus Weltregionen, die viele Hundert oder Tausend Kilometer in der Ferne liegen. Doch wie die vergangenen Sommer zeigten, bleibt auch Österreich nicht vor den Schäden zunehmender Dürre verschont.

Laut dem kürzlich veröffentlichten Bericht des Weltklimarats (IPCC) müssen wir uns darauf einrichten, dass es in Zukunft häufiger zu Dürre-Ereignissen kommt. Um deren Folgen abzuschätzen, werden oft Versuchsflächen herangezogen, auf denen der Niederschlag künstlich reduziert wird. Wie ein internationales Forschungsteam nun herausfand, wirkt sich Trockenheit unter natürlichen Gegebenheiten rund doppelt so stark aus wie auf diesen Testarealen.

Beobachten oder nachstellen

Um die Folgen des Klimawandels auf Ökosysteme abzuschätzen, haben Forschende prinzipiell zwei Möglichkeiten. Sie können einerseits über lange Zeit beobachten, was auf natürlichen Flächen unter verschiedenen Bedingungen passiert. Andererseits können sie diese Bedingungen auch künstlich herbeiführen und dann analysieren, welche Folgen sich daraus ergeben.

Beide Varianten haben Vor- und Nachteile: So wirken auf ein natürliches System sämtliche Faktoren ein, die unter den gegebenen Bedingungen zum Tragen kommen. Das macht es jedoch andererseits schwierig, den Einfluss einzelner Faktoren auf das Geschehen herauszufinden. Das geht gut unter Versuchsbedingungen, bei denen einzelne Parameter mehr oder weniger konstant gehalten beziehungsweise je nach Fragestellung manipuliert werden können. Das Problem dabei: Möglicherweise spielen Umgebungsfaktoren eine Rolle, die man zu wenig oder gar nicht berücksichtigt.

Eine internationale Forschungsgruppe, zu der auch Michael Bahn vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck gehört, widmete sich nun in einer großangelegten Metastudie dem Vergleich zwischen den Ergebnissen von 39 Freilandstudien und 40 Experimenten. Dafür zogen sie die Menge an oberirdischer Biomasse wie Blätter und Früchte heran, die Graslandpflanzen unter normalen beziehungsweise unter Dürrebedingungen entwickeln.

Phänomen mit vielen Gesichtern

Je weniger Wasser die Pflanzen zur Verfügung haben, desto weniger Biomasse können sie erzeugen. Es fließen jedoch auch noch andere Parameter wie die Nährstoffversorgung mit ein, was "die Produktivität zu einer Messgröße mit großer Aussagekraft macht, die auch für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielt", sagt Bahn.

Der Vergleich ergab bemerkenswerte Unterschiede: Auf den Versuchsflächen verringerte Trockenheit die Produktivität nur halb so stark wie bei natürlich auftretenden Dürren. Den Grund dafür vermutet Bahn darin, dass Versuchsflächen nicht denselben Umweltbedingungen ausgesetzt sind wie ihre natürlichen Vorbilder. So gehen Dürre-Ereignisse häufig mit geringerer Luftfeuchtigkeit einher als im Experiment. Auf dem Versuchsareal stellt sich nämlich etwas ein, was Bahn den Inseleffekt nennt: eine trockene "Insel" inmitten einer Umwelt, die keine Dürre durchlebt.

Die Aussagekraft und Notwendigkeit von Experimenten sieht Bahn dadurch aber nicht in Zweifel gezogen. Nur im Versuch könne die Dürre-Intensität entsprechend konkreter Klimaszenarien vergleichbar eingestellt werden, und im Versuch ließen sich auch die Mechanismen am besten entschlüsseln, die der Reaktion eines Ökosystems auf massive Trockenheit zugrunde liegen. Da solche Extremereignisse statistisch selten auftreten, braucht es Experimente oder einen entsprechend langen Atem, um eine starke Dürre auch natürlich beobachten zu können.

Irreführende Prognosen?

Weltweit gesammelt und international zugänglich gemacht werden solche Langzeitdaten etwa im Rahmen des Netzwerks LTER (Long-Term Ecology Research, ökologische Langzeitforschung), an dem Österreich beteiligt ist. In die Metastudie flossen auch Daten von der Messstation im Stubaital ein, an der das Institut für Ökologie der Universität Innsbruck bereits seit vielen Jahren arbeitet und die durch den Wissenschaftsfonds FWF, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die EU und die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert wurde.

Die Gefahr, dass die unterschätzten Auswirkungen von Dürren zu bisher irrigen Klimaprognosen geführt haben könnten, wertet Bahn als gering: "Die Modellierer berücksichtigen einerseits die Mechanismen, die wir bei den Experimenten entschlüsseln, aber andererseits auch zahlreiche andere Datenströme, anhand derer sie die Größenordnung der Effekte abgleichen können." Nichtsdestoweniger hält er es für wünschenswert, dass die Forschungsgruppen, die Freilandbeobachtungen machen, und jene, die Versuche anstellen, in Zukunft enger zusammenarbeiten. (Susanne Strnadl, 9.5.2022)