Als Game zum Vertreiben von Betrübnis empfehlen die Deepwell-Initiatoren das kunterbunt-konfuse Onlinegame "Fall Guys".

Foto: Fall Guys

Neben Long Covid dürften es vor allem psychische Probleme sein, mit denen Menschen als Folge der Pandemie noch länger zu kämpfen haben werden. Social Distancing, Quarantäne und Remote Learning haben zwar Infektionen verhindert, uns aber einsamer gemacht. Während die Pandemie zumindest vorläufig auszuklingen scheint, befördert derweil der Ukraine-Krieg die Verbreitung von Berichten und Bildern über Zerstörung und Gewalt in den Medien.

Das bedeutet neue Herausforderungen für Psychologen und Psychotherapeuten. Doch im Kampf gegen Angststörungen, Depressionen und andere Erkrankungen soll ihnen in Zukunft ein relativ junges Medium zur Seite stehen: Videospiele. Das im März gestartete US-Unternehmen Deepwell will mithilfe von Experten Games entwickeln, die sich als digitales Therapeutikum nutzen lassen. Neben eigenen Produktionen will man außerdem andere Spielestudios bei ähnlichen Projekten begleiten. Hinter der Firma stehen Mike Wilson, ein Veteran der Gamesbranche, und Ryan Douglas, ehemals CEO des Medizingeräte-Herstellers Nextern. DER STANDARD hat mit ihnen gesprochen.

Games funktionieren wie Verhaltenstherapie

"Videospiele halten breites therapeutisches Potenzial bereit und machen die Behandlung zugänglicher", erklären Douglas und Wilson. "Aber sie sind kein Ersatz für die direkte Betreuung durch einen Therapeuten." Games können als Ergänzung dienen und Menschen dabei helfen, ihren mentalen Zustand einzuordnen und zu erkennen, wenn sie zusätzliche Hilfe benötigen. Bei Deepwell fokussiert man sich auf leichte bis mittelschwere Ausprägungen von Depressionen, Angststörungen und Stress, da man damit hofft, den größten Teil jener Gruppe an Menschen erreichen zu können, die mit psychischen Problemen kämpft, aber zu wenige Therapieangebote vorfindet.

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Digitale Spiele zeigen konzeptuell große Überschneidungen mit Verhaltenstherapien. Sich Erfahrungen auszusetzen und davon zu lernen kann Spielern etwa helfen, herausfordernde Situationen in einen neuen Kontext zu setzen, Fehlwahrnehmungen zu erkennen, soziale Anbindung zu finden oder sich einfach nur zu bewegen und das Nervensystem zu stimulieren. Speziell Virtual-Reality-Games werden dazu auch schon eingesetzt. Als Beispiel für Titel, die sich etwa für Stressabbau durch Bewegung bewährt haben, nennen die Experten das Rhythmus-Game "Beat Saber".

"Wir haben schon Spiele gesehen, die so stark wirken wie Therapiemechanismen und so direkt eingesetzt werden wie Therapeutika, um Spieler über ihr Verhalten und ihre Denkmuster nachdenken zu lassen", sagen sie weiter. Dabei ist es aber von großer Bedeutung, dass die therapeutischen Elemente Teil einer immersiven Erfahrung sind, bei der das Spielerlebnis selbst im Vordergrund steht. Dazu müsse es eine große Überlappung zwischen den Mechaniken des Spiels und der jeweiligen Therapie geben.

Steigende Akzeptanz

Schon während der Pandemie haben Videogames oft zum Erhalt der psychischen Gesundheit beigetragen, indem sie nicht nur Unterhaltung geliefert, sondern den Spielern auch ein Gefühl von Kontrolle und Erfolg gegeben haben, wenn sie Herausforderungen gemeistert haben. Onlinespiele sorgten für virtuelle Gemeinsamkeit, wenn sie "offline" nicht möglich war. Als Beispiel dafür nennt man "Animal Crossing: New Horizons", wo sich Spieler alleine oder gemeinsam auf einer von Tieren bewohnten Insel eine friedliche Existenz aufbauen.

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In Medizin und Wissenschaft steigt nach Ansicht der Deepwell-Initiatoren die Akzeptanz für Spiele. Dabei geht es nicht nur um Psychotherapie, sondern etwa auch um den Einsatz während der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten. Der Zugang zu für Therapiezwecke entwickelten Games ist in den USA aber häufig nur über eine ärztliche Verschreibung möglich.

Wer sich aufmuntern will, sollte "Fall Guys" spielen

Deepwell will hier mit frei erhältlichen Games eine Lücke schließen. Das erste eigene Werk wird eine "beruhigende" Virtual-Reality-Erfahrung, die bei der Bewältigung von Depressionssymptomen helfen soll. Bevor man anderen Entwicklern bei ihren Projekten assistiert, soll eine umfassende Evaluation durch ein Gremium aus Fachleuten aus der Medizin erfolgen.

Wer sich niedergeschlagen fühlt und sich gerne mit einem Videospiel ablenken und aufrichten möchte, dem empfiehlt man "Fall Guys". In dem Onlinetitel konkurrieren die Teilnehmer in einer Art virtueller Gameshow in verschiedenen verrückten Bewerben. In Untersuchungen meldeten viele Spieler, sich danach glücklicher zu fühlen. (Georg Pichler, 5.5.2022)