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Ein Bild von einem Treffen des Papstes mit Patriarch Kyrill I. im Februar 2016 in Havanna. Eine weitere Zusammenkunft im Juni wurde abgesagt.

Foto: REUTERS/Adalberto Roque

Nach der Videokonferenz zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill I. vom 17. März hatte der Vatikan die üblichen diplomatischen Floskeln verbreitet: Der Pontifex stimme mit dem Patriarchen darin überein, "dass die Kirchen aufgerufen sind, zur Stärkung von Frieden und Gerechtigkeit beizutragen", und so weiter. Aber trotz der vom Papstsprecher behaupteten Übereinstimmung war klar, dass das Gespräch nicht so verlaufen war, wie es sich der Papst erhofft hatte.

Wie frustrierend die Videokonferenz für Franziskus wirklich war, weiß man seit Dienstag genauer. "Ich habe 40 Minuten mit Kyrill gesprochen. Die ersten 20 Minuten hat er mir mit einem Blatt in der Hand sämtliche russischen Rechtfertigungen für den Krieg aufgelistet", erklärte der Papst im "Corriere della Sera". Er habe zugehört und Kyrill geantwortet: "Bruder, davon verstehe ich nichts. Aber wir dürfen keine Staatskleriker sein, wir dürfen nicht die Sprache der Politik verwenden, wir müssen die Sprache von Jesus sprechen und für den Frieden einstehen." Der Patriarch, betonte Franziskus gegenüber der Zeitung, dürfe nicht "Putins Messdiener" sein.

Treffen in Jerusalem abgesagt

Das sind klare Worte für den orthodoxen "Kollegen", der den Überfall auf die Ukraine vom ersten Tag an als einen heiligen Krieg oder vielmehr als eine heilige militärische Spezialaktion verbrämt. Bis heute weigert sich Kyrill, den Krieg als solchen zu bezeichnen. Ein bereits für den 14. Juni in Jerusalem vereinbartes Treffen mit dem Patriarchen habe er deshalb wieder abgesagt, erklärte der Papst.

Stattdessen möchte sich Franziskus nun mit Wladimir Putin treffen, um den Kreml-Chef zu Friedensverhandlungen oder wenigstens einem Waffenstillstand zu bewegen. Seine Bereitschaft, nach Moskau zu reisen, habe er Putin schon 20 Tage nach Kriegsbeginn zukommen lassen, aber bis heute habe er keine Antwort erhalten, bedauert Franziskus. Er und die vatikanische Diplomatie würden weiterhin nicht lockerlassen – er fürchte jedoch, dass Putin ein solches Treffen derzeit nicht durchführen lassen könne oder wolle. "Aber wie kann man derartige Brutalitäten, wie sie in der Ukraine geschehen, nicht stoppen wollen?", fragt sich der Papst schon fast verzweifelt.

Chefdiplomat nach Kiew entsandt

Tatsächlich wirkt Franziskus besorgt und pessimistisch. Der Papst, der beinahe täglich Friedensappelle lanciert, leidet sichtlich unter dem Gemetzel in der Ukraine. Schon am ersten Kriegstag hatte er umgehend den russischen Botschafter am Heiligen Stuhl aufgesucht, um ihm seine Bestürzung zu signalisieren und Moskau zur umgehenden Einstellung der Feindseligkeiten aufzufordern. Am gleichen Tag hat er auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj angerufen. Danach hat der Papst seine besten Leute nach Kiew geschickt, unter anderen den vatikanischen Staatssekretär und Chefdiplomaten Pietro Parolin und – bereits zum vierten Mal – den päpstlichen Almosenmeister, der die humanitäre Hilfe des Vatikans vor Ort koordiniert.

Bisher sind sämtliche Versuche des Papstes, in dem Konflikt eine vermittelnde Rolle zu spielen, trotz seiner verbalen Zurückhaltung gegenüber dem russischen Aggressor kläglich gescheitert. Dies bedrückt ihn, genauso wie die Sorge vor einem möglichen Weltkrieg. Und auch gesundheitlich ist der Papst derzeit angeschlagen: Er leidet seit längerem an einer schmerzhaften Kniearthrose, die ihn am Gehen und Stehen hindert. Am Dienstag musste er sich einem kleinen Eingriff unterziehen: Ins entzündete Gelenk wurden Medikamente gespritzt. (Dominik Straub aus Rom, 3.5.2022)