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In Südafrika verbreitet sich das Coronavirus erneut stark.

Foto: AP Photo/Themba Hadebe

Am Kap der Guten Hoffnung hatte man die Pandemie schon für so gut wie besiegt erklärt. Im vergangenen Monat hob Präsident Cyril Ramaphosa den seit zwei Jahren geltenden Katastrophenzustand auf, die Fußballstadien füllten sich wieder, zumindest im Freien war die Maskenpflicht abgeschafft. Die gut 60 Millionen Südafrikaner atmeten auf – nur um wenige Wochen später wieder ihren Atem anzuhalten.

Wie man das von Südafrika inzwischen gewohnt ist, wurden Anfang des Jahres wieder zwei neue Versionen des Coronavirus entdeckt. Auch die Beta- und die Omikron-Variante waren zuerst am Kap der Guten Hoffnung ausgemacht worden. Beide Male löste ihre Entdeckung in aller Welt hysterische Reaktionen aus: Nach der Identifizierung der Omikron-Variante im November wurde über Nacht der Flugverkehr von und nach Südafrika eingestellt – ein weiterer Schlag für den Tourismus und die Wirtschaft Südafrikas.

Stark steigende Zahlen

Tulio de Oliveira, Bioinformatiker an der Universität von Stellenbosch und einer der führenden Epidemiologen am Kap, ist deshalb vorsichtig geworden. "Meine Kollegen und ich erhielten damals Morddrohungen, unser Labor musste von Sicherheitsleuten bewacht werden." Kein Wunder, dass er seine Erkenntnisse inzwischen mit dem Hinweis versieht, sie "vorsichtig und ruhig" zu studieren – auch wenn sie, wie im jüngsten Fall, durchaus besorgniserregend sind.

Denn in Südafrika bahnt sich seit einigen Tagen eine neue Pandemiewelle, die fünfte, an: In der vergangenen Woche schnellte die Zahl der Neuansteckungen von wenigen hundert auf mehr als viertausend in die Höhe. Auch die Zahl der Einlieferungen ins Krankenhaus steigt wieder. Bei über der Hälfte der Neuinfizierten wird inzwischen eine der beiden neuen Virusversionen – Omikron BA.4 oder BA.5 – festgestellt. Ob diese leichter übertragbar sind oder zu einem schwereren Krankheitsverlauf führen, wissen die Wissenschafter noch nicht. Fest steht jedoch: Sowohl Impfungen wie auch vorherige Covid-Erkrankungen schützen vor einer Neuansteckung mit einer der beiden Omikron-Untervarianten nicht unbedingt. Dabei seien Impfungen noch wirksamer als vorangegangene Infektionen, sagt Alex Sigal, Professor am Africa Health Research Institute in Durban. Zumindest werde der Krankheitsverlauf dadurch weniger schwer.

Untervariante

Im Gegensatz zur ersten Omikron-Variante BA.1, die rund 50 Mutationen gegenüber der Delta-Variante aufwies, unterscheiden sich BA.4 und BA.5 lediglich durch zwei Mutationen von ihren Vorgängern. Deswegen sprechen Wissenschafter von keiner neuen Variante, sondern nur von einer Untervariante. Allerdings fand eine der Mutationen am Spikeprotein des Virus statt, mit dem sich dieses an menschlichen Zellen festsetzt. An dieser Stelle entfalten sowohl die bislang üblichen Impfstoffe wie auch die natürlichen Antikörper des Menschen ihre Wirkung, indem sie das Virus am Andocken hindern. Die neuen Mutationen der Omikron-Variante ermöglichen es dem Virus nun, sich trotzdem an der Zelle festzusetzen. Zum ersten Mal in der zweijährigen Geschichte der Pandemie löst nicht eine Variante, sondern nur eine Untervariante eine neue Pandemiewelle aus.

Außer in Südafrika wurde BA.4 und BA.5 bereits an der Ostküste der USA ausgemacht. Auch aus Deutschland, England, Dänemark und Schottland sind bereits erste Fälle gemeldet worden, heißt es bei der Weltgesundheitsorganisation. Obwohl deren Zahl noch gering sei, müsse davon ausgegangen werden, dass sich diese Variante "erfolgreich ausbreiten wird", warnt das britische Gesundheitsministerium. Wer angesichts der neuen Hiobsbotschaft mit den Augen rollt, dem hält Bioinformatiker de Oliveira entgegen: "Wir alle haben von dem Virus die Nase voll. Aber das Virus hat von uns noch lange nicht genug." (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 3.5.2022)