Zeiten ändern sich, Großstädte auch: Der Wiener Praterstern etwa soll zum grünen Aufenthaltsort werden, wie diese Visualisierung zeigt.

Foto: Kenh Architekten DND Landschaftsplanung

Bei Präsentationen achtet Angelo Chronis immer genau auf die Reaktionen in den Gesichtern des Publikums. "Da sehe ich dann meistens einen Wow-Effekt." Denn das Planungstool Intelligent Framework for Resilient Design, kurz InFraReD, macht Stadtplanung zum Erlebnis.

Chronis ist Leiter des City Intelligence Lab, einer interaktiven digitalen Plattform zur Erforschung neuer Formen und Techniken für die Stadtentwicklungspraxis der Zukunft am Center for Energy des Austrian Institute of Technology (AIT). Für ihn kann mit dem neuen Werkzeug etwas erreicht werden, das planerische Mühen zu einem geradezu spielerischen Prozess machen kann.

"Stadtplanung ist ein komplexer Prozess", sagt Chronis. "Da sind vielen Professionen eingebunden, und eine Vielzahl an Details sind zu beachten." Davon sind in letzter Zeit auch immer mehr hinzugekommen. Denn moderne Stadtplanung setzt lange nicht mehr auf isolierte Betrachtung von Einzelfragen, sondern berücksichtigt in einem integrativen Prozess Klimawandel, Mobilitäts- und Energiewende.

Im Mittelpunkt steht dabei die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner – und dafür wird nach optimierten Lösungen gesucht. "Früher machte der beauftragte Architekt einen Entwurf, der wurde dann in einem Meeting diskutiert, Planänderungen dauerten Tage, wenn nicht Wochen."

Einfacher nachjustieren

Experimentiert und spontan ausprobiert konnte da wenig werden, beziehungsweise zog sich dadurch der Prozess in die Länge. Dabei wären oft viele Detailfragen interessant, die während einer Diskussion spontan aufkommen können. Wie etwa verändern sich Mikroklima und Verkehrsbelastung, wenn sich Straßenführung, Öffis, Parkanlagen und die Geschossanzahl von Gebäuden gleichzeitig verändern?

Was hat das für Auswirkungen auf die Kosten? Wie können moderne verkehrsberuhigte Stadtviertel so umgesetzt werden, dass alle wichtigen Orte – von Büro bis Supermarkt und Apotheke – innerhalb von 15 Minuten ohne Auto erreicht werden können? Und gibt es dafür eine noch optimalere Variante?

Für solche und ähnliche Fragen braucht man nicht nur viele Daten – sondern auch ein Programm, das Antworten flott berechnen kann, und gerade dieses läuft bei InFraReD im Hintergrund. Dabei setzt man neben Augmented Reality (AR) – alle Planungsschritte können mit AR-Brille durchgeführt werden – auch auf Methoden des maschinellen Lernens, also auf künstliche Intelligenz (KI).

"Nein, es plant keine KI die neue Stadt", sagt Chronis. "Aber sie unterstützt den Prozess des Planens." Hier setze auch der "Wow-Effekt" ein. Denn nach den Vorgaben der Planerinnen und Planer kann der Rechner via cloudbasierte Planungsplattform einen Superblock innerhalb von Millisekunden neu simulieren.

Sofort visualisiert

Die am Prozess Beteiligten sehen die visualisierten Ergebnisse auf dem Bildschirm oder der Leinwand in einer schnellen Abfolge von Lösungsvorschlägen, in der sich nicht nur Grundrisse und Wege verändern, sondern in bunten Farben auch gleich veränderte Wind- und Temperaturverhältnisse mitgeliefert werden. Mittlerweile haben die Forschenden des AIT etwa in Wien und Frankfurt Demonstrationsprojekte mit InFraReD entwickelt. Das neue Werkzeug eignet sich auch für die Ausbildung des Nachwuchses in der Stadtplanung.

Denn mit dem Tool lassen sich auch etwaige Planungsfehler oder Falschannahmen erforschen und schnell sichtbar machen. Lerneffekte kann dieses "Design by Data" auch bei Bürgerbeteiligungsprozessen haben. "Das Tool", sagt Serjoscha Duering, AIT-Datenspezialist bei InFraRed, "erleichtert die Kommunikation zwischen Experten und am Planungsprozess beteiligten Gruppen." Änderungswünsche und deren Realisierbarkeit können schnell sichtbar gemacht werden.

Der besondere Vorteil: Die cloud-basierte Anwendung lässt Planungsmeetings zu, bei denen die Stakeholder tausende Kilometer weit entfernt sein können. Ergebnisse von Telekonferenzen können dann auch sofort dargestellt und eingearbeitet werden. Das scheint zu überzeugen. 2020 gewann InFraReD den VCÖ-Mobilitätspreis 2020, der in Kooperation mit dem Klimaministerium vergeben wird, in der Kategorie "Digitalisierung". Nun wurde das Stadtplanungstool für den Österreichischen Staatspreis 2021 in der Kategorie "Forschen. Entwickeln. Neue Wege weisen" nominiert. (Norbert Regitnig-Tillian, 9.5.2022)