Das australische Great Barrier Reef bildet die größte lebende Struktur der Erde. Marine Hitzewellen fügten ihm großen Schaden zu.

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"Guten Morgen und willkommen im Paradies", sagt Watson lachend. Nicht gerade bescheiden, möchte man meinen. Doch der Bootsführer, der nur seinen Vornamen verrät, liegt mit seiner Begrüßung nicht falsch. Caye Caulker, eine kleine Insel vor der Küste des mittelamerikanischen Belize, besticht mit türkisem Meer, weißem Sandstrand und dem zweitgrößten Korallenriff der Welt. Intakter, artenreicher und lebendiger als das australische Pendant sei ihr Riff, erklären die Menschen hier stolz.

Und sie geben gut acht auf ihre farbenfrohen Unterwassergärten. Vor Jahren hatte die Unesco das Riff auf die Liste bedrohter Habitate gesetzt. Inzwischen hat sich die Lage wieder gebessert, der Status wurde revidiert: Große Teile des Riffs stehen unter Schutz, die Fischerei unterliegt strengen Regeln, und für Ölbohrungen vor der Küste wurde ein Moratorium verhängt. Vom Effekt dieser Maßnahmen profitiere die Wasserwelt wie auch die Bevölkerung. Zieht das traumhafte Eiland doch Tausende von Touristinnen und Touristen an, die Geld in die Kassen der Einheimischen spülen.

Globale Krise, lokales Unglück

Zwar mag es heute wieder besser um das aquatische Leben vor der mittelamerikanischen Küste stehen, doch verändert sich die marine Welt auch hier vor Belize. Nachdem seitens der Regierung alle direkten Gefahren wie die Übernutzung der Meere oder ihre Verschmutzung durch die Industrie weitgehend ausgemerzt wurden, bedroht aktuell hauptsächlich ein Umstand, der durch keine lokalen Schutzbemühungen gemildert werden kann, die bunte Vielfalt unter der Wasseroberfläche: steigende Meerestemperaturen. Diese treffen besonders die fragilsten Riffbewohner, die im Karibischen Meer vor Caye Caulker heute kaum noch zu finden sind.

Die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll dominiert seit Jahren die Gespräche um deren Schutz. Wie stark ansteigende Temperaturen die Unterwasserwelt bedrohen, geht daneben oft unter.
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"Früher habe ich beim Tauchen oder Schwimmen oft Seepferdchen gesehen", erinnert sich Watson. Wenn der Bootskapitän heute Seepferde sehen möchte, geht er zum Steg an der Ostseite der Insel. In eigens abgetrennten und gesicherten Becken schweben die kleinen Knochenfische durch ihre winzige künstliche Welt. "Sie waren die Ersten, die verschwunden sind", sagt er und legt die Stirn in Falten. Wenn die Lage schlimmer und das aquatische Artenspektrum schmäler wird, müsse er sein Zuhause wohl verlassen.

Ungewisse Zukunft

Noch begleiche die Unterwasserwelt als Magnet für etliche zahlende Gäste seine Rechnungen. Aber: "Wenn einmal die Korallen sterben, stirbt mit ihnen meine Zukunft auf Caye Caulker", sagt Watson. Selbst geringfügig steigende Meerestemperaturen haben – auch aufgrund von Rückkoppelungseffekten – weitreichende Konsequenzen. Korallenbleiche, der Verlust mariner Kinderstuben und die Bestandseinbrüche etlicher Wasserlebewesen folgen dem seit Dekaden andauernden Anstieg der Temperatur in den Weltmeeren.

Damit gehen neben touristischen Einnahmequellen auch andere Annehmlichkeiten und Ökosystemdienstleistungen der Ozeane für Menschen verloren. Die marine Erwärmung bedroht die Ernährungssicherheit, verursacht stärkere Wetterextreme und lässt aufgrund der thermischen Ausdehnung und Meereisschmelze auch den Wasserspiegel ansteigen. Seit den 1970er-Jahren haben menschenverursachte Treibhausgasemissionen neben der Atmosphäre auch die Ozeane aufgeheizt.

Mehr als 93 Prozent der überschüssigen Wärme haben die Meere absorbiert. Daten der US National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) belegen, dass die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Meere – die obersten paar Meter – in den letzten 100 Jahren um ungefähr 0,13 Grad Celsius pro Dekade gestiegen ist.

Doch auch die Meeresschichten 700 Meter weiter unten bekommen die Hitze zu spüren. Diese Zone hat ein Drittel des atmosphärischen Wärmeüberschusses in sich aufgenommen. Bis zum Jahr 2100 könnte die Durchschnittstemperatur der Weltmeere um bis zu vier Grad steigen. Optimistische Schätzungen gehen von einem Anstieg von zumindest einem Grad aus.

Ein Tintenfisch in seinem Element, das viermal so viel Wärme aufnehmen kann wie die Luft in der Lebenswelt über ihm. Vielen Meeresbewohnern wird dieser Umstand zum Verhängnis.
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Fünf Atombomben pro Sekunde

3,6 Milliarden Hiroshima-Bomben: Das entspricht der Energiemenge, die der Mensch den Ozeanen durch die von ihm verursachte Erderwärmung zugeführt hat, allein in den vergangenen 25 Jahren. Über diesen Zeitraum betrachtet entspricht das fünf Atombombenabwürfen pro Sekunde. Nie waren die Durchschnittstemperaturen bis in zwei Kilometer Tiefe höher als 2019, schreibt Lijing Cheng, Leiter der Studie vom chinesischen Institute of Atmospheric Physics.

Auf den Plätzen zwei bis fünf rangieren die Jahre 2015 bis inklusive 2018. Cheng und sein Team errechneten außerdem, dass die Ozeane zwischen 1987 und 2019 viereinhalb Mal so viel Wärme absorbierten wie in den Jahren von 1955 bis 1986. Der Löwenanteil der Energiemenge floss in den Atlantik und den Südozean, der sich um die Antarktis spannt. Letzterer gilt als marine Wärmefalle, die rund ein Drittel der vom Menschen verursachten Wärmeenergie in sich aufsog. Eine der Konsequenzen ist ein stetig steigender Meeresspiegel. Die Zunahme des Wasservolumens bei wärmebedingter Ausdehnung ist etwa für 42 Prozent des Meeresspiegelanstiegs seit 1993 verantwortlich.

Die Szenarien bis zum Jahr 2100 liegen zwischen 26 und 55 Zentimetern – allerdings nur, wenn die Treibhausgasemissionen um 70 Prozent verringert werden. Zu allem Überfluss stellten sich bisherige Berechnungen zum Steigen der Wasserstände inzwischen als zu optimistisch heraus. Bislang gingen Forschende in Hinblick auf die thermische Ausdehnung von einem Pegelanstieg von 0,7 bis einen Millimeter pro Jahr aus. Neue Auswertungen der Erdschwerefelddaten der Grace-Satelliten und der Radarhöhenmessung der Satelliten Jason-1 und Jason-2 zeichnen ein abweichendes Bild.

Durch die Erwärmung des Wasserkörpers von 2002 bis 2014 hob sich der Meeresspiegel jährlich um 1,4 Millimeter. Nahezu die doppelte Menge dessen, was schmelzende Gletscher in Grönland im selben Zeitraum zum Anstieg der Ozeane beitrugen. Die außergewöhnliche Aufnahmefähigkeit der Meere in puncto Hitze bildet einen der Gründe, weshalb die Menschheit nicht wesentlich stärker unter den Folgen der globalen Erwärmung leidet. Ohne den ozeanischen Puffer wäre die Menschheit mit weitaus dramatischeren und rascher vonstattengehenden Veränderungen des Klimas konfrontiert.

Lebensrettender Puffer

Am Londoner Grantham Institute stellten Forschende in einer Analyse die "Was wäre, wenn"-Frage: Was wäre passiert, wenn die von den Ozeanen zwischen 1955 und 2010 aufgenommene Wärmeenergie in die Atmosphäre gelangt wäre? Ihre nahezu unglaubliche Schlussfolgerung: Wäre diese Energie nicht von den oberen zwei Kilometern der Ozeane, sondern von den unteren zehn Kilometern der Atmosphäre absorbiert worden, hätte sich die Erde um 36 Grad erwärmt.

Höhere Wassertemperaturen verstärken die Verdunstung und damit die Wolkenbildung. Diese Kombination begünstigt Extremwetterereignisse. Expertinnen und Experten vermuten zwar nicht, dass Wirbelstürme häufiger auftreten – sehr wohl aber wird ihre Intensität dramatisch zunehmen. Mit den meist damit einhergehenden Überschwemmungen legen sie schon heute regelmäßig ganze Landstriche in Schutt und Asche. Und diese Wetter- und Klimaphänomene wirken auch in vermeintlich weit entfernten Regionen. Wie warm die Oberfläche des Nordatlantiks ist, bestimmt wesentlich mit, wie der Winter in Mitteleuropa verläuft, wie stark Wirbelstürme in Mittel- und Nordamerika werden und wie viel Regen in Westafrika fällt.

Die blauen Lungen der Welt

Thermische Veränderungen lassen auch die Schichten des Wasserkörpers stabiler werden. Der Austausch zwischen kühlen Tiefen und warmem Oberflächenwasser gerät ins Stocken. Dadurch gelangen weniger Nährstoffe in die oberen Ozeanschichten, während die Menge gelösten Sauerstoffs in tieferen Schichten abnimmt. Seit 1970 haben sauerstoffarme Zonen um bis zu acht Prozent zugenommen, bislang wurden 500 dieser auch Todeszonen genannten Regionen entdeckt.

Korallen tropischer Gewässer reagieren selbst auf kleinste Veränderungen ihrer Habitate extrem sensibel. Schon eine Wassererwärmung von einem Grad reicht aus, um ein Massensterben unter Wasser auszulösen. Unter Hitzestress stoßen Korallen jene Algen ab, die ihnen das Überleben ermöglichen.
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Wie so oft in verwobenen Systemen hängt das Schicksal der Großen vom Überleben der ganz Kleinen ab. Phytoplankton, bestehend aus einer Reihe unterschiedlicher Algen, bildet die Nahrungsbasis in Gewässern. Darüber hinaus produzieren die Grün-, Gold-, Kiesel- sowie Blaualgen (Cyanobakterien) einen beträchtlichen Teil des Sauerstoffs, den wir atmen. 50 Prozent davon werden in den Meeren gebildet, womit ihnen rein theoretisch jeder zweite Atemzug zu verdanken ist. Wie viel des atmosphärischen Sauerstoffs auf die Tätigkeit von Phytoplankton zurückgeht, wird in der Forschung noch verhandelt. Einige Schätzungen gehen jedoch davon aus, dass der Anteil bei bis zu 80 Prozent liegt.

Vor existenziellen Problemen stehen auch Korallen, die im Gegensatz zu anderen aquatischen Lebewesen ihren Standort kaum wechseln können. Die gefürchtete Korallenbleiche wird von überhitztem Meerwasser ausgelöst. Dramatisch ist das besonders für Riffe knapp unterhalb der Wasseroberfläche. Die riffbildenden Korallen ernähren sich nicht nur allein von Nährstoffen, die sie aus den Fluten filtern, sondern werden auch von den Photosynthese betreibenden Symbiose-Algen, den Zooxanthellen, gefüttert.

Sterbende Schutzschilde

Schon ein Grad Celsius reicht aus, um die Abwärtsspirale in Gang zu setzen. Durch den Temperaturanstieg geraten die Korallen derart unter Stress, dass sie die für sie lebensnotwendigen Algen abstoßen. Langsam verblassen die leuchtenden Farben, die Korallen sterben Stück für Stück ab, bis nur noch ihre fahlen Gerippe zurückbleiben. Während Riffe meist einen Schutzwall einige Kilometer vor der Küste bilden, säumen andere Lebensformen wie ein Schutzschild den Übergang zwischen Land und Meer.

Ein solches Bollwerk gegen Sturmfluten stellen insbesondere Mangroven dar. Diese Ökosysteme werden von rund 70 salztoleranten Baum- und Straucharten gebildet und gelten als bester denkbarer Küstenschutz. Die dichten, sattgrünen Pflanzengemeinschaften gedeihen in den Gezeitenzonen der Tropen und umspannen den Globus in dieser Zone von Malaysia über Madagaskar und Mosambik bis Mexiko. Auf weltweit rund 15 Millionen Hektar schützt das fest im Untergrund verankerte Geflecht aus Stelzwurzeln nachgelagerte Siedlungen und Großstädte. Ihr Bestand ist im vergangenen Jahrhundert jedoch um 50 Prozent gesunken.

Ohne den grünen Schutzwall leiden insbesondere tiefgelegene Staaten sowie Inselstaaten. Meeresspiegelanstieg und Erosion werden der IUCN zufolge in diesen Gebieten Behausungen und Infrastruktur zerstören und die Bevölkerung zur Abwanderung zwingen. Derzeit leben rund 680 Millionen Menschen in niedrig gelegenen Küstenregionen. Bis zum Jahr 2050 wird diese Zahl auf mindestens eine Milliarde Menschen anwachsen, die der Bedrohung durch den Meeresspiegelanstieg, durch Extremwasserstände und Überflutungen ausgesetzt sein werden. Hinzu kommt die Gefahr durch zusehends stärker werdende Niederschläge und Wirbelstürme, aber auch die Zunahme extremer Wellen.

Kleine Spiegel aus Luft

Wie aber lassen sich all diese schwerwiegenden Folgen verhindern oder zumindest mildern? Diese Frage beschäftigt Regierungen ebenso wie Umweltschutzorganisationen und nicht zuletzt die Forschung bereits seit geraumer Zeit. In den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft einige Ideen vorgelegt, die zumindest in der Theorie geeignet scheinen, dem Anstieg der Meerestemperatur entgegenzuwirken. Aufsehenerregend nehmen sich dabei insbesondere Ansätze aus dem Feld des Geo- oder Climate-Engineerings aus. Dabei handelt es sich um gezielte und großräumige Eingriffe in die biogeochemischen Kreisläufe der Erde unter Zuhilfenahme technischer Mittel.

Eine dieser Ideen zur künstlichen Kühlung der Ozeane geht auf den ersten dokumentierten Vorschlag zur Beeinflussung des Klimas zurück. Im Jahr 1965 schlugen die wissenschaftlichen Berater des damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson vor, das Rückstrahlungspotenzial der Weltmeere künstlich zu erhöhen. Aufgrund der technischen Schwierigkeit und der kaum abzuschätzenden möglichen Negativfolgen wurde der Plan nicht weiter verfolgt.

Vor gut zehn Jahren griff der damalige Physiker an der Harvard University, Russell Seitz, die Idee wieder auf. Der Ansatz basiert auf dem Albedoeffekt: Helle Oberflächen reflektieren einfallende Sonnenstrahlung und werfen sie, ähnlich wie ein Spiegel, zurück ins All. Um diese Abstrahlung künstlich herbeizuführen, will Seitz mikroskopisch kleine Luftblasen nutzen. Diese Mikrobläschen mit einem Durchmesser von einem fünfhundertstel Millimeter sollen in rauen Mengen ins Meer gepumpt werden.

Eis reflektiert Sonnenlicht zurück ins All. Zwecks Kühlung der Meere wollen Forschende diesen Effekt künstlich verstärken.
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Zweifelhafte Erfolgsaussichten

Dieser Kniff könnte gelingen, indem Boote mit Maschinen ausgestattet werden, die Wasser und komprimierten Sauerstoff mischen. Der schwimmende weiße Teppich würde die Albedo erhöhen und dadurch auch die Temperatur der Ozeane senken, so die Hoffnung. Eine von Seitz durchgeführte Computersimulation zeigte, dass die winzigen Bläschen unter Idealbedingungen sogar den gesamten Erdball um drei Grad kühlen könnten. "Da Wasser den Großteil der Welt bedeckt, sollten wir nicht die Sonne verdunkeln, sondern die Meere aufhellen", sagt Seitz. Doch bei der praktischen Anwendung dieser "Spiegel aus Luft" steht man noch vor einigen Herausforderungen.

Stabile Bläschen herzustellen, die enorm winzig, gleichzeitig aber auch stabil genug sind, um sich nicht nach kürzester Zeit zu verflüchtigen, sorgt bislang noch für Kopfzerbrechen. Eine zusätzliche Hürde ist die Verteilung der luftigen Spiegel im Meer. Damit der von Seitz neu erdachte Plan funktioniert, müssten tagtäglich zehntausende Schiffe 11.000 Kubikmeter Luft in die Fluten einblasen. Darüber hinaus bleibt die noch ungeklärte Frage, wer diese Anstrengungen organisieren, koordinieren und vor allem finanzieren soll.

Eingriff ins Klimasystem

Forschende, die sich mit Geo-Engineering beschäftigen, bezweifeln allerdings die Wirksamkeit von Ansätzen, die exklusiv die Meere ins Auge fassen. Um das Problem der Meereserwärmung in den Griff zu bekommen, müsse das große Ganze betrachtet und an mehreren Stellen im komplexen System Erde zugleich angesetzt werden. Ohne gleichzeitige Kühlung der Atmosphäre seien solche Lösungen rein kosmetischer Natur, ihr Effekt nur von kurzer Dauer.

Kritikerinnen und Kritiker derartiger Eingriffe in das Klimasystem der Erde bemängeln zudem, dass damit lediglich Symptome, nicht aber die Ursachen der Überhitzung der Meere und der Atmosphäre bekämpft würden.

Der Tech-Fix durch Mikrobläschen mag bestechend und insbesondere nach einer schnellen Lösung klingen, doch einerseits kann bisher niemand abschätzen, welche unerwarteten und möglicherweise unliebsamen Folgen und Nebenwirkungen derartige Eingriffe mit sich bringen könnten. Andererseits liegt auch die Hemmschwelle für derlei Anwendungen noch relativ hoch. Sollten sich aus der erhofften Lösung neue und vielleicht sogar gravierendere Probleme ergeben, möchte wohl niemand dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Keine Abkürzungen nehmen

Fest steht, dass das heutige Dilemma der Meereserwärmung Produkt und Erbe von Dekaden des ungebremsten Treibhausgasausstoßes sind. Dies im Eilverfahren wettmachen zu wollen, sorgt vielerorts für Kopfschütteln. Bisher stimmt der Großteil der wissenschaftlichen Gemeinschaft mit internationalen Organisationen wie etwa der Uno überein: Die vielversprechendste und sicherste Strategie, der steigenden Temperaturen Herr zu werden, liegt darin, die globalen Treibhausgasemissionen drastisch zu senken. Darüber hinaus existiert eine Reihe von Empfehlungen, um die teils lebensbedrohenden Konsequenzen der Meereserwärmung abzuschwächen. Die schnelle Lösung fehlt in diesem Kanon allerdings.

Unterm Strich laufen die Ratschläge dafür, was nun zu tun wäre, auf zwei wesentliche Punkte hinaus: Anpassungsstrategien und beträchtliche Investitionen in die Forschung. Da das Ruder bei der globalen Erwärmung nicht so schnell herumgerissen werden kann, müssen heute und künftig gefährdete Gemeinschaften ihre Widerstandskraft erhöhen. Als eine der wirksamsten Schutzmaßnahmen wird die Wiederaufforstung von Küstenvegetation gehandelt. Im gleichen Atemzug wird meist auch die Erhaltung von noch intakten Küstenökosystemen genannt.

Dazu zählen insbesondere Mangrovenwälder und Korallenriffe, die bis dato enorm unter der thermischen Veränderung ihrer Lebenswelt gelitten haben. Um den teils stark geschwächten Organismen unter die Arme zu greifen, werden global bereits beachtliche Anstrengungen unternommen und verschiedenste Hilfsstrategien ausprobiert, etwa entlang der Ostküste der mexikanischen Halbinsel Yucatán.

Tische für Korallen

Rund 40 Minuten lang schaukelt die Fähre vom Dock in Playa del Carmen zur vorgelagerten Insel Cozumel. Das weitgehend unerschlossene Eiland wehrt sich seit Jahren heftig gegen die Massen hier anlegender Kreuzfahrtschiffe, die durch aufgewirbelten Sand und Sediment das Karibische Meer in eine trübe Suppe verwandeln. Es ist jedoch nicht die einzige Anstrengung, die für den Erhalt mariner Ökosysteme unternommen wird.

Cozumel gehört zu den beliebtesten Tauch-Hotspots Mexikos und bietet eine atemberaubende Unterwasserwelt. Neben allerlei kleinen Fischen, imposanten Rochen und Meeresschildkröten lassen sich auch einige ungewöhnliche Strukturen am Meeresgrund ausmachen. Sie sehen aus wie betongegossene Esstische, auf denen im Abstand von gut fünfzehn Zentimetern Korallen wachse. Errichtet wurden sie von der Organisation Restore Coral, um riffbildenden Lebewesen einen Ankerpunkt zu bieten.

Seit 2013 sammeln ihre Mitglieder Bruchstücke von Korallen, die auf den künstlich geschaffenen Strukturen am Meeresgrund festgemacht und aufmerksam umsorgt werden. Ziel ist es, die Biodiversität der submarinen Ökosysteme zu fördern und zugleich Einheimische wie Touristinnen und Touristen für die Bedeutung der bunten Unterwassergärten zu sensibilisieren. Denn der beste Schutz für diese empfindliche Welt sei, ihren Wert in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Als größter Lebensraum der Erde beheimaten Ozeane die meisten Tierarten der Welt. Alle Veränderungen, die diesem besonderen Habitat schaden, bedrohen auch ihre tierischen und pflanzlichen Bewohner.
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Das Meer auf Abstand halten

Ähnlich aufwendig gestaltet sich auch die Aufforstung von Mangrovenwäldern, deren Bestand sich im 20. Jahrhundert um die Hälfte reduzierte. Um das Meer auf Abstand zu halten, kommt dem in 123 Ländern heimischen Waldtyp in vielen Staaten besondere Aufmerksamkeit zu. Nachdem der verheerenden Taifun Yolanda im Jahr 2013 über die Philippinen hinweggefegt war und 6000 Todesopfer gefordert hatte, wurden die grünen Schutzschilde gegen Naturgewalten in den Fokus genommen. Seither wird die Wiederaufforstung der Küstenvegetation mit einem Investitionsvolumen von 20 Millionen US-Dollar vorangetrieben.

Ähnliche Projekte laufen rund um den Globus von Mexiko über Kenia bis Vietnam. Bei einer Vielzahl dieser Unternehmungen wird die lokale Bevölkerung nicht nur über die Projekte und den Wert der Mangroven informiert, vielmehr sind sie aktiv in Aufforstung und Erhalt involviert. Auch im Mekongdelta, der drittgrößten Wirtschaftsregion der Welt, profitieren Einheimische im doppelten Sinn vom Plan, wieder schützende Wälder anzulegen.

Doppelte Lebensgrundlage

In fünf vietnamesischen Provinzen werden die Menschen in die Anpflanzung und die nachhaltige Bewirtschaftung der Salzwasserwälder einbezogen. Wer bei der Wiederherstellung der biodiversen Lebensräume hilft, darf dort etwa Fischfang betreiben oder Totholz sammeln. Der Erfolg des Projekts äußert sich nicht nur in mehr als 600 Hektar neu beziehungsweise wiedergewonnenen Mangrovenwaldes. Viele Anwohnerinnen und Anwohner spüren die Veränderung auch in der Geldbörse.

Ihr Einkommen ist teils um bis zu 60 Prozent gestiegen. Künftig wird es solche Bemühungen verstärkt brauchen. Selbst mit beherztem Klimaschutz werden sich manche Folgen der Meereserwärmung nicht abwenden lassen. Zumal Ozeane als träge Systeme lange für die Erholung brauchen. Das Fieber sinkt nur langsam. (Marlene Erhart, 3.5.2022)