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Kopffüßer fallen nicht nur durch ihre Saugnäpfe und die schnelle Tarnfähigkeit auf: Sie sind beispielsweise auch in der Lage, Rechenaufgaben zu lösen. Neue Studien liefern Hinweise darauf, wie sich ihre Intelligenz entwickeln konnte.
Foto: Markus Scholz / dpa via AP

Manche Fachleute vergleichen ihre Intelligenz mit der von Hunden: Viele Tintenfische sind zu beeindruckenden Leistungen fähig und können beispielsweise zählen, Glasbehälter aufschrauben sowie Werkzeuge nutzen oder für den späteren Gebrauch aufheben. Die Klasse der Kopffüßer, zu denen sie gehören, gilt als intelligenteste Gruppe der Wirbellosen. Nun gibt es neue Indizien dafür, wie sich ihre kognitiven Fähigkeiten entwickelt haben, wie zwei Studien mit Beteiligung der Universität Wien und des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP) im Fachjournal "Nature Communications" berichten.

"Große und ausgeklügelte Gehirne haben sich schon einige Male entwickelt", sagt Caroline Albertin vom Marine Biological Laboratory im US-Bundesstaat Massachusetts, eine der Studienautorinnen. Neben den Wirbeltieren legten auch die Kopffüßer (Cephalopoden) eine Entwicklung komplexer Nervensysteme hin, die weltweit von Forschungsgruppen analysiert wird. Für die Studie untersuchten neben Albertin und ihrem Team unter anderem die Gruppen um Elly Tanaka vom IMP Wien und Oleg Simakov von der Uni Wien das Genom ausgewählter Vertreter dieser Tiere.

Frühe Umstrukturierung

Dabei handelte es sich um Kalifornische Zweipunktkraken (Octopus bimaculoides), Hawaiianische Zwergtintenfische (Euprymna scolopes) und Nordamerikanische Kalmare (Doryteuthis pealeii). Obwohl etwa der Kalmar schon seit fast hundert Jahren von Forschungsgruppen untersucht wird, liefert die Studie erstmals eine Sequenzierung des Genoms. Das Erbmaterial des Zweipunktkraken war das erste sequenzierte Oktopusgenom, obwohl er erst seit relativ kurzer Zeit beforscht wird. Die kleinen Zwergtintenfische wiederum sind ein beliebtes Modellsystem geworden – unter anderem weil sie in Symbiose mit Leuchtbakterien leben, die sich in ihrem "Leuchtorgan" ansiedeln.

Zwergtintenfische der Spezies Euprymna scolopes wurden für Forschungszwecke bereits zur Internationalen Raumstation geschickt.
Foto: AFP / NASA / Jamie S. Foster, University of Florida

Die Genomanalysen zeigten, dass das Erbgut schon früh in der Evolution dieser Tierklasse stark umstrukturiert wurde, weshalb es sich stark von Muscheln und anderen Wirbellosen unterscheidet. "Bei vielen Tieren ist die Reihenfolge der Gene innerhalb des Genoms im Laufe der Evolution erhalten geblieben", sagt Albertin. "Bei den Kopffüßern hat sich das Genom jedoch schubweise umgestellt."

Dies lässt sich auch an den Chromosomen erkennen, wie die aktuelle Forschungsarbeit zeigt. Erst wenige Tage zuvor erschien eine verwandte Arbeit von Hannah Schmidbaur und Akane Kawaguchi von der Uni Wien und dem IMP, die zeigte, wie das umstrukturierte Genom der Zwergtintenfische auch die Expression der Gene beeinflusst hat, also welche abgelesen und in Proteine übersetzt werden.

Nordamerikanische Kalmare, die normalerweise im Atlantik leben, werden vor allem von Forschenden untersucht, die das Nervensystem von Kopffüßern interessiert.
Foto: Elaine Bearer

Fähigkeiten vom Kameraauge bis zur Camouflage

Durch die Veränderungen befinden sich Gene in neuer Nachbarschaft zueinander, wovon die Tiere profitierten: Verschiedene Teile des Erbguts, die für die Bildung von Nervenzellen relevant sind, sind bei Tintenfischen stärker gruppiert. Dadurch kommt es eher zu Interaktionen, wodurch sich die komplexen Nervensysteme besser entwickeln konnten, vermuten die Forschenden.

Bestimmte Genfamilien konnten sich erweitern, außerdem fiel den Teams auf, dass Boten-RNA-Moleküle vor allem in Geweben des Nervensystems verändert wurden. Solche Veränderungen dürften auch dazu beigetragen haben, dass sich Strukturen wie die kameraartigen Augen, die Arme voller Saugnäpfe und die Fähigkeit zu sekundenschneller Tarnung des Körpers je nach Farbe des Untergrunds entwickeln konnten. In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden die Regulierung der Gene genauer untersuchen, die bestimmt, welche von ihnen aktiviert sind. (sic, 4.5.2022)

Caroline Albertin filmte winzige Zweipunktkraken (Octopus bimaculoides) beim Schlüpfen.
Marine Biological Laboratory