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EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will mit dem Ölembargo den Druck auf Russland "maximieren".

Foto: AP/Jean-Francois Badias

Straßburg – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am Mittwochvormittag die neuen Pläne für Wirtschaftssanktionen gegen Russland bestätigt. "Wir schlagen jetzt ein Embargo für russisches Öl vor. Dabei geht es um ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl", sagte sie im Europaparlament. Man wolle russische Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten und den Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen.

"Auf diese Weise maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeitig Kollateralschäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering", erklärte die deutsche Politikerin. "Denn wenn wir der Ukraine helfen wollen, muss unsere eigene Wirtschaft stark bleiben."

Gleichzeitig räumte von der Leyen ein, dass das Ölembargo manchen Ländern große Anstrengungen abverlangen wird. "Machen wir uns nichts vor: Das wird nicht einfach", sagte sie. "Einige Mitgliedsstaaten hängen erheblich von russischem Öl ab."

Sberbank wird von Swift ausgeschlossen

Neben dem Ölembargo bestätigte von der Leyen Pläne für Strafmaßnahmen gegen weitere russische Banken. Sie sehen vor, die Sberbank – die mit Abstand größte russische Bank – und zwei weitere große Banken vom internationalen Finanzkommunikationssystem Swift abzukoppeln. "Dadurch treffen wir Banken, die für das russische Finanzsystem relevant sind, und schränken Putins Fähigkeit zu weiteren Zerstörungen ein", sagte sie. "Hierdurch wird die vollständige Isolierung des russischen Finanzsektors vom globalen System zementiert."

Sanktionen gegen Kyrill I. und Peskow

Außerdem sollen drei russischen Staatssendern die Sendelizenzen in der EU entzogen werden, welche Sender genau betroffen sind, war zunächst unklar. Zudem soll es persönliche Sanktionen gegen Angehörige des russischen Militärs geben, die für die Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung etwa in Butscha verantwortlich seien. Auf der Sanktionsliste steht nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP zudem das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I.

Die erweiterte Liste umfasst 58 Verantwortliche, darunter auch die Familie von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Schließlich sollen europäische Wirtschaftsprüfer, Berater und Spindoktoren nicht mehr für russische Unternehmen und den Kreml arbeiten dürfen.

Ungarn will noch weitere Ausnahmen

Damit die neuen Sanktionen in Kraft treten können, ist ein einstimmiger Beschluss der EU-Staaten nötig. Die ständigen Vertreter der 27 Mitgliedsstaaten wollen sich am Mittwoch erstmals mit den Vorschlägen befassen. Erwartet werden mehrtägige Beratungen.

In der Nacht auf Mittwoch hatte die EU-Kommission laut Diplomatenangaben den EU-Staaten bereits den Vorschlag unterbreitet. Demnach soll es beim Ölembargo Ausnahmen für Ungarn und die Slowakei geben, die stark von russischem Öl abhängig sind. Sie sollen Importe bis Ende 2023 fortsetzen dürfen. Ungarn aber könne ein Rohölembargo trotzdem nicht unterstützen, weil es die Energiesicherheit des Landes zerstören würde, sagte Ungarns Außenminister Péter Szijjártó. Eine Zustimmung wäre nur möglich, wenn Rohölimporte ausgenommen wären.

Auch Tschechien und Bulgarien wollen Ausnahmen

Auch Bulgarien werde um eine Ausnahme ansuchen, wenn die EU das Embargo schlussendlich beschließt, erklärte der Vize-Premierminister Assen Wassilew. Das Land könnte zwar technologisch ohne russisches Rohöl auskommen, aber dieser Schritt würde Preise signifikant erhöhen. Wenn die europäische Kommission also Ausnahmen plant, werde man diese in Anspruch nehmen, sagte er in einem Interview mit der Zeitung "Capital".

Auch der Premierminister Tschechiens, Petr Fiala, erklärte, sein Land werde die Ausnahme in Anspruch nehmen. Man sei bereit, diese Entscheidung mitzutragen, brauche aber Zeit, um andere Lieferkapazitäten zu erhöhen. Tschechien bezieht russisches Öl über den Südstrang der Druschba-Pipeline, die auch Ungarn und die Slowakei versorgt. Ungarn importiert nach Regierungsangaben rund 65 Prozent seines Öls aus Russland – der EU-Schnitt betrug zuletzt 26 Prozent.

Gewessler sieht Österreich "vorbereitet"

Der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr betonte am Mittwoch, man müsse genau abwägen: Sanktionen dürften Europa nicht mehr schaden als Russland. Zugleich müssten sie so ausgestaltet sein, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Botschaft verstehe, dass er den Krieg beenden müsse. "Wir sollten keine Angst haben (vor dem Embargo, Anm.), aber wir sollten gut vorbereitet sein."

Derart "vorbereitet" sieht Österreich Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), wie sie bereits am Montag sagte. Demnach ist in Österreich bereits seit März kein russisches Öl mehr verarbeitet worden. Außenminister Alexander Schallenberg erklärte nach dem Ministerrat am Mittwoch, Österreich unterstütze die neuen Sanktionen "vollinhaltlich".

Fünf Milliarden Euro pro Monat für die Ukraine

"Wir wollen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt", sagte von der Leyen. Das bedinge auch finanzielle Hilfen. So brauche der Staat derzeit monatlich fünf Milliarden Euro, um sein Funktionieren aufrechterhalten zu können. Für den Wiederaufbau seien nach Schätzungen mehrere Hundert Milliarden Euro erforderlich. Am Ende dieses Weges könne dann eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine stehen, sagte von der Leyen unter Beifall der Abgeordneten. Wie viel Geld das Paket umfassen soll, sagte sie zunächst nicht.

Russischer Politiker: "Sie sind verrückt geworden"

"Mir scheint, sie sind ein bisschen verrückt geworden", zitierte die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti den russischen Politiker Wladimir Dschabarow, seines Zeichens Mitglied des Föderationsrats. Dschabarow sagte , die EU-Länder würden trotz Embargos weiter über Drittländer russisches Öl kaufen, nur teurer. Ein Kreml-Sprecher bezeichnete die Sanktionen als "zweischneidiges Schwert", das auch für die europäische Bevölkerung die Kosten massiv erhöhen werde. (APA, Reuters, red, 4.5.2022)