92 Medizinstudienplätze könnten pro Jahr mit öffentlichen Zwecken verkoppelt werden. Für den diesjährigen Aufnahmetest hat sich nur das Bundesheer zehn Plätze gesichert. Bewerber haben es bei der Aufnahme leichter.

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Wer die offene Stelle für Allgemeinmedizin im Tiroler Landeck übernimmt, kann sich in ein gemachtes Bett legen. Die Ordination steht bereit, die Patientinnen und Patienten warten. Einzig eine Ärztin oder ein Arzt fehlt, sagt Bürgermeister Herbert Mayer. "Und das seit mittlerweile zwei Jahren." Allein ist Landeck damit nicht. Vor allem in kleineren Gemeinden und Städten dauert es oft lange, bis Kassenstellen von pensionierten Ärztinnen und Ärzten nachbesetzt werden. Zwar schließen jedes Jahr hunderte Jungmediziner und Jungmedizinerinnen ihr Studium ab, oft gehen sie nach der Ausbildung aber ins Ausland oder bleiben im Krankenhaus.

Teilweise ändern könnte das nun eine neue Bestimmung im Universitätsgesetz: Ab diesem Herbst ist es erstmals möglich, an öffentlichen Universität eigene Studienplätze im öffentlichen Interesse zu reservieren – etwa für die Kassenärzte. Doch vorerst bleibt das nur Theorie. Denn bis Fristende hat keines der neun Bundesländer Interesse an den gewidmeten Stellen angemeldet. Dabei hätte es durchaus Bedarf gegeben, wie ein Blick in die Statistik der Ärztekammer zeigt: Während vor zwei Jahren noch 157 Kassenstellen unbesetzt waren, sind es mittlerweile rund 225. Mit 125 offenen Positionen gibt es vor allem einen Mangel an Allgemeinmedizinern. Bei den Fachärztinnen fehlen in erster Linie Praxen für Kinderheilkunde und Frauenheilkunde.

Bindung für eine Zeit nach dem Studium

Von einem reinen Landärztemangel kann man aus Sicht von Edgar Wutscher, Vertreter der Allgemeinmediziner in der Ärztekammer Tirol, aber nicht mehr sprechen. "Inzwischen sind Städte genauso betroffen." Schwierigkeiten bereiten nicht nur fehlende Ärztinnen und Ärzte an sich, sondern auch eine schlechte Verteilung zwischen Kassenärzten und Privatordinationen und zwischen den unterschiedlichen Fachgebieten. Die anrollende Welle an Pensionierungen wird das Problem nun weiter verstärken.

Um der klaffenden Lücke etwas entgegenzusetzen, hatte die türkis-grüne Koalition bereits vor mehr als zwei Jahren im Regierungsprogramm "Landarztstipendien" angekündigt. Im Rahmen einer großen Uninovelle hat das Parlament vergangenen Herbst nun fast unbemerkt die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen.Denn laut einem neuen Paragrafen können künftig fünf Prozent der Studienplätze an öffentlichen Medizinunis für "Aufgaben im öffentlichen Interesse" vergeben werden.

Studierende könnten damit etwa dazu verpflichtet werden, für einen befristeten Zeitraum für eine öffentliche Institution, ein bestimmtes Bundesland oder als Kassenarzt oder Kassenärztin zu arbeiten. Als Anreiz winken auch Erleichterungen beim Medizinaufnahmetest. Im Fokus stehe bei der neuen Regelung aktuell vor allem die "ärztliche Versorgung des Bundesheeres", heißt es aus dem Bildungsministerium zum STANDARD.

Länder nicht informiert?

Tatsächlich wurden für das kommende Wintersemester auf Basis der Regelung zehn Studienplätze an der Medizin-Uni Wien für die Bedürfnisse des Heers reserviert. Studierende, die sich dafür bewerben, müssen beim Aufnahmetest zu den besten 25 Prozent zählen. Bei herkömmlichen Bewerberinnen und Bewerbern lag die Grenze in den letzten Jahren bei rund zehn Prozent.

Während sich das Bundesheer also zehn Plätze gesichert hat, haben weder Bundesländer noch die Gesundheitskasse bisher Interesse angemeldet. Für das kommende Studienjahr ist es mittlerweile zu spät, die Zulassungsverordnung wurde laut Bildungsministerium bereits erlassen.Die Schuld am Verstreichen der Option sehen die Länder allerdings bei Bund. Die neue Gesetzeslage wurde "nicht aktiv an die Bundesländer kommuniziert, wie unter den Gesundheitsreferentinnen und -referenten der Bundesländer festgestellt worden ist", heißt es etwa aus der Steiermark. Auch das Burgenland habe "bis dato keine offizielle Information zu dieser Initiative vorliegen".

Das Bildungsministerium widerspricht: Es gebe einen "regen Austausch zwischen den Ländern und dem Wissenschaftsbereich" und "seit längerem Gespräche über weitere Möglichkeiten, unter anderem auch über alternative Stipendienmodelle".

Hinwendung zu Privatuniversitäten

Während die Steuerung von Plätzen an öffentlichen Medizin-Unis offenbar im Föderalismus kommunikativ versandet, kooperieren Bundesländer schon jetzt rege mit Privatuniversitäten, um Medizinabsolventen längerfristig an sich zu binden. Die Steiermark übernimmt jährlich für 20 Studierende die Studiengebühren an der Sigmund-Freud-Privatuni in Wien, wenn sie danach zehn Jahre lang in der Steiermark arbeiten. Niederösterreich erstattet Absolventinnen der Karl-Landsteiner-Privatuni in Krems, die im Land bleiben, 20 Prozent der Gebühren zurück. Und auch das Burgenland finanziert Plätze an der Danube Private University in Krems. Man habe das Modell entwickelt, weil "der Bund keine Lösung zustande bringt, womit dem drohenden Ärztemangel in den nächsten Jahren entgegengewirkt werden kann", heißt es.

Ärztekammerfunktionär Wutscher hält von alledem wenig. Sowohl gewidmete Studienplätze als auch Stipendien seien nur "ein Tropfen auf dem heißen Stein", weil sie vor allem jene ansprechen, die ohnehin in der Region bleiben wollen. Um das Problem zu lösen, brauche es dagegen mehr Flexibilität – etwa bei der Arbeitszeit. Neue Modelle wie Gemeinschaftspraxen und Job-Sharing könnten die Arbeit als Kassenarzt attraktivieren.

Zudem soll laut Wutscher die Möglichkeit, nach dem Studium in einer Lehrpraxis zu arbeiten, weiter ausgebaut werden. Und auch die richtige Kommunikation sei wichtig. "Wir müssen den Jungen zeigen, dass die Tätigkeit in einer Praxis eine lohnenswerte und schöne Betätigung ist", sagt Wutscher. (Jakob Pflügl, 6.5.2022)