Der Protest gegen ein Abtreibungsverbot in den USA ist groß – am Mittwoch etwa auch in Atlanta.

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In den USA droht das Ende des liberalen Abtreibungsrechts – darauf deutet ein geleakter Entwurf einer Urteilsbegründung des Supreme Court hin. Abtreibungsgegner wittern Morgenluft, Befürworterinnen protestierten auch am Mittwoch in zahlreichen US-Städten. Was der Entwurf bedeutet und wie es nun weitergeht:

Frage: Was ist der Ursprung der derzeit aufgeheizten Debatte um Abtreibungsgesetze in den USA?

Antwort: Ausgangspunkt ist ein Gesetz aus Mississippi, das Abtreibungen ab der 16. Schwangerschaftswoche untersagt. Die neun Richterinnen und Richter am Supreme Court, die auf Lebenszeit vom US-Präsidenten ernannt werden, beraten derzeit über diesen Fall. Eine Entscheidung sollte eigentlich erst Ende Juni fallen, doch ein Entwurf einer Urteilsbegründung geriet an die Öffentlichkeit – demzufolge wird Roe v. Wade gekippt.

Frage: Was ist Roe v. Wade?

Antwort: Ein Grundsatzurteil aus dem Jahr 1973, das festlegt, dass Abtreibungen bis zum Beginn der Lebensfähigkeit des Fötus (etwa 23. oder 24. Woche) nicht bestraft werden dürfen. 1992 wurde das Urteil bestätigt, erklärte aber staatliche Vorschriften, die keine "unzumutbare Belastung" ("undue burden") für die Schwangere darstellten, als zulässig. Seither testen vor allem konservativ geführte Bundesstaaten diese "Belastungsgrenze" regelmäßig aus.

Frage: Werden Abtreibungen mit diesem Urteil sofort illegal?

Antwort: Wenn Roe v. Wade fällt, liegt die Entscheidung bei den Bundesstaaten. Viele haben bereits sogenannte Trigger Laws in der Schublade, die in Kraft treten würden, sobald der Supreme Court Roe v. Wade kippt, etwa in Kentucky, South Dakota oder Louisiana. Andere haben Gesetze von vor 1973 parat, die sie dann wieder in Kraft setzen wollen. Insgesamt wird geschätzt, dass etwa in der Hälfte der US-Bundesstaaten Abtreibung wieder illegal werden würde – dabei befürwortet die Mehrheit der US-Bevölkerung, dass Schwangerschaftsabbrüche legal sind.

Frage: Wie realistisch ist es, dass dieser Entwurf wirklich in Kraft tritt?

Antwort: Der geleakte Entwurf ist "authentisch", das bestätigte John Roberts, der Vorsitzende des Supreme Courts, am Dienstag. Er betonte aber, dass es sich noch nicht um eine finale Entscheidung handle. Allerdings zeigt der Entwurf schon deutlich die Meinung von fünf Richterinnen und Richtern – und das ist bereits die Mehrheit. Dabei handelt es sich um die langjährigen konservativen Höchstrichter Clarence Thomas und Samuel Alito sowie die drei von Donald Trump Nominierten Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett.

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Frage: Wie wird in dem Entwurf argumentiert?

Antwort: Das Argument in dem Entwurf ist, dass die US-Verfassung kein Recht auf Abtreibung vorsieht – wörtlich gesehen entspricht das auch der Wahrheit. Doch Kritikerinnen und Kritiker argumentieren mit dem 14. Zusatzartikel zur Verfassung, der vorsieht, dass kein Bundesstaat Gesetze erlassen oder durchführen darf, "die die Vorrechte oder Freiheiten von Bürgern der Vereinigten Staaten beschränken". Das Gegenargument hierzu lautet, dies gelte nur für Freiheiten, die "tief in der Geschichte und Tradition der Nation verwurzelt sind" – Abtreibung zählt nicht für alle dazu.

Frage: Würde ein Verbot zu weniger Abtreibungen führen?

Antwort: Studien zeigen, dass Verbote Abtreibungen nicht stoppen. Sie drängen Schwangere zu illegalen Eingriffen – die unsicherer sind und sie oft in Lebensgefahr bringen. In demokratisch regierten Bundesstaaten wird sich nichts ändern. Betroffene mit genug Geld in republikanisch regierten Bundesstaaten werden sich weiterhin leisten können, in andere Bundesstaaten zu reisen, wo Abtreibungen legal sind. Zahlreiche andere, vor allem Women of Color, müssen ihr Leben aufs Spiel setzen. (Noura Maan, 4.5.2022)