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Klimaministerin Leonore Gewessler hatte sich die gute Nachricht für den Bundeskongress der Grünen am vergangenen Wochenende aufgehoben: Bereits seit März sei in Österreich kein russisches Öl mehr verarbeitet worden, sagte die Ministerin den Delegierten der Grünen. Im vergangenen Jahr hatte Österreich noch fast zehn Prozent des Rohölbedarfs aus Russland zugekauft. Doch nun schreite der Prozess in Richtung Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen voran.

Was die Ministerin nicht dazusagte: Während die Abkoppelung bei Rohöl geglückt sein mag, ist es bei verarbeiteten Produkten, also bei Diesel, Benzin und Heizöl, komplizierter. Hier bezieht Österreich nämlich weiter Energieprodukte russischen Ursprungs. Ein großer Teil des Sprits, der in Österreich verbraucht wird, stammt zwar aus der OMV-Raffinerie in Schwechat: Bei Diesel sind es 40, bei Benzin sogar 76 Prozent. Allerdings wird Benzin und Diesel sowie Heizöl dennoch in großen Mengen nach Österreich importiert.

Aus Russland selbst kommt kein verarbeitetes Erdöl. Die Einfuhren stammen im Wesentlichen aus fünf Ländern: Deutschland, Italien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn. Der größte Teil der Einfuhren entfällt auf Deutschland, dann folgen Italien und die Slowakei.

Woher kommt das verarbeitete Öl in diesen Ländern? Besonders im Fall von Ungarn und der Slowakei aus Russland. Sie importieren laut Internationaler Energieagentur 96 beziehungsweise 58 Prozent ihres Öls aus Russland.

Was darf importiert werden?

Diese Konstellation dürfte dazu führen, dass Österreich selbst im Falle des geplanten EU-Energieembargos gegen Russland weiter Erdölprodukte mit russischem Ursprung beziehen wird. Laut aktuellem Entwurf der Kommission wird nur der Import von ursprünglich aus Russland stammendem Öl und Ölprodukten bis Ende 2022 verboten. Wenn es also wie angekündigt eine längere Übergangsfrist für Ungarn und die Slowakei bis Ende 2023 geben wird, können diese Länder raffiniertes Öl weiter im EU-Binnenmarkt verkaufen. Auch beim Verband der Mineralölindustrie in der Wirtschaftskammer geht man davon aus, dass über diesen Weg weiter Erdölprodukte russischen Ursprungs kommen werden.

Das wirft die Frage auf, ob in einem Binnenmarkt solche Sonderregelungen nicht den Sinn eines Embargos unterlaufen.

Laut Zahlen der Statistik Austria importierte Österreich 2020 verarbeitetes Erdöl aus Ungarn und der Slowakei im Wert von 372,5 Millionen Euro. Bei dem vom Volumen bedeutenderen Diesel stammen zehn Prozent der Importe aus der Slowakei, drei Prozent aus Ungarn. Bei Benzin kommen 30 Prozent der Importe aus der Slowakei. Die Werte schwanken, die noch vorläufigen Zahlen aus dem Jahr 2021 zeigen einen leichten Rückgang der Einfuhren. Beim Verband der Mineralölindustrie heißt es, im Schnitt kamen zuletzt acht bis zehn Prozent der Dieseleinfuhren aus den erwähnten Ländern.

Bei den Einfuhren spielen zwei Raffinerien eine Rolle: Slovnaft im Südosten von Bratislava. Von hier aus werden Benzin, Diesel und Heizöl per Schiff in Tanklager bei Wien befördert. Im Falle Ungarns stammen die Lieferungen aus der Raffinerie in Százhalombatta.

Billiger Sprit

Bei der Mineralölindustrie in Österreich wird mit Spannung erwartet, was weiter geschieht: Sollte Russland als Folge des Embargos sein Öl mit noch stärkerem Abschlag verkaufen müssen, würde das den Raffinerien in der Slowakei und in Ungarn wohl zusätzliche Gewinne bescheren, und sie könnten auch günstiger anbieten als Mittbewerber aus dem Westen. Könnten sie sogar ihre Exportvolumen nach Österreich ausweiten?

Möglich wäre das, für realistisch hält man das bei den Mineralölerzeugern in der Wirtschaftskammer aber nicht. Die Raffinerien in Ungarn und Slowakei dürften aktuell gut ausgelastet sein, außerdem müssen auch sie damit beginnen, sich für Verarbeitung von Öl aus anderen Quellen vorzubereiten.

Umgekehrt exportiert übrigens auch die OMV raffinierte Produkte nach Ungarn und in die Slowakei. (András Szigetvari, 5.5.2022)