Einen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kann Moskaus Patriarch Kyrill I. nicht erkennen.

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Lange galt Russlands oberster Kirchenfürst als Brückenbauer und Wortführer des Ausgleichs zwischen den Konfessionen. Moskaus Patriarch Kyrill I., der 1946 als Wladimir Gudjajew im damaligen Leningrad geboren wurde, bemühte sich seit seinem Amtsantritt 2009 um gute Kontakte zur bei vielen seiner 150 Millionen Gläubigen verhassten katholischen Kirche. 2016 traf er Papst Franziskus in Kuba – als erster orthodoxer Patriarch, der einem Pontifex die Hand schüttelte.

Seit Russlands Präsident Wladimir Putin im Februar die Ukraine überfiel, ist von Brücken, die es zu bauen gilt, keine Rede mehr. Von Beginn an war es Kyrills Rolle, den Angriffskrieg spirituell zu unterfüttern. Und das mit markigen Worten: In seiner Predigt am 6. März, dem orthodoxen Vergebungssonntag, erklärte er, der Westen betreibe eine "Politik der Unterdrückung und Vernichtung im Donbass".

Dabei, fuhr Kyrill fort, hätten sich die Menschen dort bloß geweigert, "Gay-Pride-Paraden" zu veranstalten. Darum wolle der Westen sie "zerstören". Dass Russland überhaupt Krieg führt in der Ukraine, streitet Kyrill vehement ab. "Russland hat nie jemanden angegriffen", behauptete er jüngst. Diese Rhetorik dürfte ihn nun auf die EU-Sanktionsliste gebracht haben.

Enge Beziehungen zum Kreml

Mit Putin, der eigenen Angaben zufolge als Baby von Kyrills Vater heimlich getauft wurde, verbinden den mächtigen Kirchenmann seit langem enge Bande. Wie so viele aus Putins Dunstkreis ging auch der heutige Patriarch früher im Leningrader KGB-Büro ein und aus. So wie Putin machte auch der junge Geistliche schnell Karriere. Mit nur 31 Jahren wurde er Erzbischof von Wyborg.

Während er sich damals, Ende der 1970er-Jahre, noch gegen die Afghanistan-Invasion der Roten Armee aussprach, unterstützte Kyrill später den Syrien-Einsatz der russischen Luftwaffe ebenso frenetisch, wie er nun Putins "Spezialoperation" in der Ukraine befeuert. Gerüchte über seinen ausschweifenden Lebensstil – 2012 machten Bilder von einer 30.000 Euro teuren Uhr an seinem Handgelenk die Runde – vermochten Kyrills Popularität ebenso wenig anzuhaben wie seine bei vielen Russen umstrittene Annäherung an die katholische Kirche.

Damit dürfte es nun aber ohnehin vorbei sein. Als Papst Franziskus im März Kyrill dazu bewegen wollte, gemeinsam auf Frieden hinzuwirken, replizierte dieser lediglich die Kriegspropaganda des Kreml. Kein Wunder, dass der Pontifex nun von "Putins Messdiener" spricht. (Florian Niederndorfer, 4.5.2022)