Humor muss auch wehtun: Anke Engelke hat in "Der Onkel – The Hawk" Freude am heimischen "Irrsinn".

Foto: Heribert Corn

In der neuen Kinokomödie Der Onkel – The Hawk von Michael Ostrowski und Helmut Köpping gibt die deutsche Starkomikerin Anke Engelke endlich ihr Österreich-Debüt. Und die Chemie stimmt. Denn der Film, in dem Ostrowski einen windigen Lebemann namens Mike verkörpert, der sich nach 17 Jahren Abwesenheit in die Familie seines im Koma liegenden Bruders drängt, ist überreich an absurden Verwicklungen, in denen sich die Figuren mit enormer Spielfreude verausgaben können. Engelke spielt Mikes frühere Herzensdame, die dieser zurückzuerobern versucht – und schwärmt über die Zusammenarbeit mit einem Ensemble (u. a. Hilde Dalik, Simon Schwarz), in dem sie sich nie als Eindringling fühlte.

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STANDARD: Es heißt, in puncto Humor gebe es große Unterschiede zwischen Deutschen und Österreichern. Ein Stereotyp?

Engelke: Na ja, was soll man machen: Ich bin eine Deutsche, Sie Österreicher. Sobald man vergleicht, tappt man in die Klischeefalle.

STANDARD: Probieren wir es so: Haben österreichische Filmkomödien wie "Der Onkel – The Hawk" eine andere Energie?

Engelke: Ja, das könnte sein. Ein entscheidender Unterschied könnte darin bestehen, dass in österreichischen Filmen ein Irrsinn zu finden ist. Den finde ich im deutschen Film selten, da spüre ich oft Vorhersehbarkeit, ein bisschen Kalkül, wie mit Pointen umgegangen wird. In Österreich werden andere Dinge verhandelt, auf groteskere Weise.

STANDARD: Sie gelten als Expertin für komisches Timing. Im Film gibt es eine Szene in einer Bank, Michael Ostrowski und Ihnen fällt das Passwort für ein Sparbuch nicht ein. Das ist sehr lustig, obwohl es ziemlich zerdehnt wird. Meinen Sie das mit Irrsinn?

Engelke: Ja, zum Beispiel. Aber es gibt beim Timing nicht nur eine Wahrheit. Timing heißt ja nicht unbedingt, dass etwas schnell sein muss. Tür auf, Tür zu kann himmlisch witzig sein, wenn es richtig gespielt ist. Die Bankszene ist ein bisschen unangenehm, das mag ich eigentlich. Dass man denkt: uuuuh. Man ist Augenzeuge eines sehr langsamen Unfalls. Ich gucke stoisch nach vorn, und Michael redet sich als Mike um Kopf und Kragen. Die Szene hat natürlich etwas Verkrampftes. Ich finde immer toll, wenn das spürbar bleibt.

STANDARD: Sie spielen eine Frau, die mit ihrem jüngeren Ich konfrontiert wird. Sie kämpft um ihre Rolle, beginnt sie dann aber zu hinterfragen ...

Engelke: Gut beobachtet. Das fällt ihr natürlich wahnsinnig schwer. Viele Menschen über 30 oder 40 kennen dieses Phänomen. Aus einer Gewohnheit heraus, aus Angst hat man sich für etwas entschieden – und gegen die innere Lust und Neugier. Bei ihr ist nicht ganz klar, ob es zu einer Gesangskarriere gereicht hätte, wenn sie sich nicht für die Kinder entschieden hätte. Aber es stimmt, sie überlegt, ob ihre Entscheidungen richtig oder falsch waren. Wir leben in einer Gesellschaft, in der das als ungewöhnlich gilt.

STANDARD: Sie wiederum blicken auf eine lange Karriere zurück: Es gibt ein Youtube-Video, in dem Sie als zwölfjähriges Mädchen mit Udo Jürgens singen. Haben Sie daran eine konkrete Erinnerung?

Engelke: Ja, wobei ich die Bilder kenne und mich mehr von außen sehe. Die Perspektive hat sich gewandelt. Wo ist mein Blick ins Publikum? Manchmal denke ich, es ist nicht gut für den Charakter, wenn man sich selber anschaut und nicht mehr weiß, wie sich das anfühlt.

STANDARD: Und an Jürgens?

Engelke: An Udo Jürgens habe ich gute Erinnerungen. Aber als wir mit dem Chor unterwegs waren, war die Busreise das eigentliche Highlight. Wir konnten Pommes essen, die gab es zu Hause nicht. Es wurde geknutscht in der letzten Reihe im Bus. Das ist viel wichtiger als alle Udo Jürgense dieser Welt! Es war uns egal, dass das im Fernsehen lief, das interessierte doch keinen Menschen. Schnitt 2022: Nichts ist wichtiger als die eigene Wirkung. Ich bin jedoch 1977 hängengeblieben. Auf einer relativen geilen Droge.

Anke Engelke (56) ist eine der vielseitigsten deutschen Entertainerinnen, ob in der Rolle der TV-Moderatorin, Komikerin oder ernsthaften Schauspielerin.

STANDARD: Ihr öffentliches Bild, das haben Sie schon öfter gesagt, ist Ihnen egal. Dem Narzissmus des Ruhms sind Sie nicht verfallen ...

Engelke: Ja, nehm’ ich.

STANDARD: Woher haben Sie diese Distanz zum Geschäft?

Engelke: Ich wurde ja für unser Interview geschminkt. Das kann ich verstehen. Natürlich soll ich dafür nicht wie ein Eimer aussehen. Aber ich habe heute Morgen nicht so gefrühstückt, da sah ich anders aus, normal. Das muss man trennen.

STANDARD: Haben Sie sich das angeeignet – das ist ja nicht oft so?

Engelke: Wenn man zu lange in den Spiegel hineinstarrt, kann das nicht gut sein. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich so früh angefangen habe. Ich habe fast zehn Jahre lang das Ferienprogramm moderiert, das haben all die Kinder geschaut, die krank waren. Oder deren Eltern sich keine Urlaube leisten konnten. Da gab es um mich keinen Presserummel, keine Interviews, nichts.

STANDARD: Beim Umgang mit Komik geht es zuletzt immer mehr auch darum, auf Sensibilitäten von Minderheiten zu achten. Schränkt das ein?

Engelke: Mich nicht. Ich achte einfach auf strukturelle Ungerechtigkeiten, das ist nicht kompliziert. Aber es gibt auch ernstzunehmende Vertreter der anderen Seite wie Michael Ostrowski und Gerhard Polt. Ich versuche, gedanklich auch Team Opfer zu sein und zu bedenken, wie sich jemand fühlt, wenn etwas gefeiert wird, das hochgradig verletzend ist. Mir geht’s ja gut. Der einzige Nachteil, den ich habe, ist, eine Frau zu sein. Die Aufgabenstellung lautet, den Blick der Menschen für Ungleichheiten zu öffnen, ohne dass sie aggressiv werden und sagen, ich lasse mir doch meinen Mallorca-Urlaub nicht verbieten.

STANDARD: Ungeachtet der Sensibilitäten geht es bei der Komik doch auch um die Umkehrung von Hierarchien.

Engelke: Das stimmt. Es ist ein gutes Werkzeug. Aber nur weil ich ein aufgeklärter Mensch bin, heißt das nicht, dass alles, was ich mache, okay ist. Der Unterbau muss stimmen. Wir sind hoffentlich aufgeklärte Menschen und sollten uns der Verantwortung bewusst sein, wenn wir einen Gag auf Kosten anderer machen. Der Zweck heiligt die Mittel nicht. Es gibt Humor, auf den wir uns alle einigen können. Und es gibt Humor, der tierisch wehtut. Der ist manchmal wahnsinnig wichtig.

STANDARD: Das Problem ist wohl, dass diese Differenzierung vielen zu kompliziert klingt.

Engelke: Vielleicht können wir das ja wieder lernen. Ich habe nichts dagegen, wenn es kompliziert wird. Wir sind so kuschelig. Der Mensch will es gemütlich haben, bloß nicht zu viel Anstrengung. Aber warum sich nicht damit befassen? Wir haben genug Zeit. Die Leute glotzen doch ohnehin ständig in ihr Telefon.

STANDARD: Ist das Ihr Rezept gegen Aufgeregtheit und Polarisierung?

Engelke: Ich weiß nur, dass es sich lohnt, Gespräche zu führen. Nichts spricht dagegen, zu diskutieren und zu streiten. Anschließend kann man sich ja versöhnen. Man kann auch in schwierigen Zeiten von Pandemie und Krieg unterschiedlicher Meinung sein. Aber man sollte zugewandt und fair in der Diskussion sein. "Das wird man wohl noch sagen dürfen" – das ist das Narrativ unserer Zeit. Dann sprecht doch. Schreit nicht, sprecht doch! Und hört zu.

STANDARD: Man könnte sagen: Das ist die oberste Aufgabe einer kritischen Öffentlichkeit.

Engelke: Das ist Freiheit. Das Gegenteil davon ist, alles auf einen Satz zu reduzieren. Es wäre schade, wenn das so weitergeht. Das ist eine Sackgasse. (Dominik Kamalzadeh, 6.5.2022)