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Als "Lukoils Fenster zur Welt" beschreibt sich Litasco auf der eigenen Website.

Foto: REUTERS/MAXIM SHEMETOV

Ein Ölembargo der EU gegen Russland sei ein "Schuss ins Knie". Das war am Dienstag auf der Titelseite einer österreichischen Tageszeitung zu lesen. Im Inneren des Blattes kommt Johannes Benigni von der Energieberatungsfirma JBC Consulting zu Wort. "Für einen Experten gibt es keinen Grund, warum man das tun sollte", wird Benigni zur möglicherweise bevorstehenden Sanktion gegen Russland zitiert.

Ein Embargo sei sinnlos und sogar kontraproduktiv. Denn Erdöl aus anderen Ländern zu beziehen wäre teurer. "Russland wird durch ein Embargo nicht beeinträchtigt, wir erreichen damit gar nichts, zahlen aber mehr", sagte Benigni. Vielmehr würde es Russland schaden, wenn man Sanktionen beenden und weiterhin Öl von Russland kaufen würde, dann würde sich nämlich der Markt beruhigen, wodurch die Ölpreise sinken würden und Russland weniger Einnahmen hätte.

Verwaltungsratssitz seit 2019

Es sind pointierte Aussagen wie diese, die Benigni zum gerngesehenen Interviewpartner und Talkshowgast machen, auch im STANDARD. In Journalistenkreisen wird er im Gespräch tatsächlich als sehr valider Kenner der Energiemärkte geschätzt. Vorgestellt wird Johannes Benigni meist als Energie-Analyst, Experte oder Chairman des Beratungsunternehmens JBC Energy Group. In einer Diskussion auf Krone TV wird er gar als "Österreichs bekanntester Energie- und Ölexperte" präsentiert.

In diesem Kontext nicht erwähnt wird aber meist, dass Benigni seit 2019 Mitglied des Verwaltungsrats der russischen Lukoil-Tochter Litasco ist. Lukoil selbst ist einer der größten Mineralölkonzerne der Welt mit Sitz in Moskau. Der Konzern hat kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges erklärt, er setze sich für die sofortige Beendigung des bewaffneten Konflikts ein und unterstützte den Verhandlungsprozess mit diplomatischen Mitteln. Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) zog nach öffentlicher Kritik als Aufsichtsratsmitglied des Konzerns trotzdem seinen Hut.

Lukoils Fenster zur Welt

Litasco ist eine internationale Tochter von Lukoil mit Sitz in der Schweiz. Unternehmenszweck der Litasco ist laut Schweizer Firmenbuch unter anderem der Handel, die Verarbeitung und Lagerung von Rohstoffen, insbesondere Rohöl, Erdölprodukten und Derivaten, sowie Transport mit Schiffen, über Schienen und Straßen. Laut Website ist Litasco "Lukoils Fenster zur Welt" und die "exklusive internationale Marketing- und Handelsgesellschaft von Lukoil".

Die Schweizer NGO Public Eye, die seit Jahren mehr Transparenz im Rohstoffsektor fordert, schätzte zuletzt, dass Litasco als größter Käufer russischen Öls in der Schweiz im Februar und März mit 3,36 Millionen Tonnen russischen Öls gehandelt hat, also etwa 24,6 Millionen Barrel.

Eine Frage der "Informationsmoral"

"Entscheidend sind die Transparenz und die Offenlegung", sagt Georg Krakow, Anwalt bei DLA Piper und Vorstandsmitglied bei Transparency International Austria, zu Benignis Position bei Litasco. Auch mit so einer Position dürfe Benigni selbstverständlich eine Meinung zu Embargos und Sanktionen haben und könne öffentlich dazu Stellung nehmen. Transparenz im Hinblick auf seine Position wäre dabei aber wichtig, damit sich die Bevölkerung ein Bild davon machen kann, wie man diese Meinung einordnen kann. "Das ist eine Organfunktion, und wenn er sich in der aktuellen Zeit zu so einem Thema äußert, ist das eine nicht unwesentliche Zusatzinformation", sagt Krakow. Das Ganze sei aber keine rechtliche, sondern eine moralische Frage, es gehe um "Informationsmoral", so Krakow.

Auch Journalistinnen und Journalisten treffe eine Pflicht bei ihrer Recherche, sagt Krakow. Damit sei nicht gemeint, bei jedem Gesprächspartner eine ausgiebige Background-Recherche machen zu müssen. Das würde die tägliche Berufsausübung verunmöglichen, sagt der Jurist. In der Branche kommt außerdem noch ein weiteres Dilemma hinzu: Ölwirtschaftsexperten sind typischerweise Menschen, die sich berufsmäßig damit beschäftigen. "Hobbyölexperten wird es nicht geben", sagt Krakow.

Keine Antwort auf Anfrage

DER STANDARD kontaktierte Benigni telefonisch und fragte nach seiner genauen Aufgabe bei Litasco sowie etwaigen Interessenkonflikten. Benigni wollte jedoch nichts aus dem Gespräch in der Zeitung lesen, die Frage nach einer etwaigen Vergütung wollte Benigni nicht beantworten. In Folge erhielt DER STANDARD eine E-Mail von JBC Vienna, in dem mit einem Medienanwalt gedroht wird, falls Inhalte aus dem Gespräch veröffentlicht werden.

"Herr Benigni und auch die JBC Vienna GmbH waren im Konflikt auf weder Putins noch Selenskyjs Seite und haben vom 24. Februar 2022 an keinen wie immer gearteten Vorteil vom Ausgang des Konfliktes. Zudem profitieren wir weder an hohen noch an niedrigen Öl-Gas-Strom-Preisen", steht am Ende der E-Mail. (Levin Wotke, 6.5.2022)