In einer Phase, da alle Routinen aus dem Ruder laufen und Lieferketten links und rechts zusammenbrechen, kann man blaue Wunder erleben.

Foto: Imago / Frank Sorge

Falls Sie derzeit keinen Umzug planen: Glückwunsch! Falls Ihnen einer bevorsteht oder Sie mitten drinstecken, wünsche ich alles Gute. Denn in einer Phase, da alle Routinen aus dem Ruder laufen und Lieferketten links und rechts zusammenbrechen, kann man blaue Wunder erleben. Ich spreche aus frischer familiärer Erfahrung.

Tochter zieht mit Gemahl und zwei Kleinkindern (drei Jahre; zehn Monate) innerhalb Wiens um, bekommt vom Möbelhaus ihrer Wahl den Samstag als Liefertermin für einen Riesenschrank versprochen, die Montage soll am Montag darauf stattfinden. Der Schrank wäre das unabdingbare Utensil, um den Mörderverhau in der frisch bezogenen Wohnung halbwegs in den Griff zu bekommen.

Allein: Er wird am Samstag nicht geliefert. Erklärung? Niemand sagt nix. A blede Gschicht, zumal auch der geschickteste Monteur mit der Montage eines inexistenten Schranks überfordert wäre. Alle Beteiligten ahnen: In dieser Konstellation steht am Montag eine Reihe von schwierigen Telefonaten auf dem Plan.

Datenschutzbedenken

Der Telefonmarathon beginnt am Morgen mit drei Gesprächen und drei Abwimmelungstaktiken. Sachbearbeiter eins hört sich die Beschwerde betont desinteressiert an und verspricht einen "schnellen Rückruf", der nach zwei Tagen noch auf sich warten lässt. Meine (notorisch durchsetzungskräftige) Frau springt für die Tochter ein, weil die mit dem Management der greinenden Kleinkinder alle Hände voll zu tun hat.

Sachbearbeiterin zwei riecht Lunte. Die Namen der Tochter und meiner Frau divergieren, daher: Datenschutzbedenken! Die könnten nur ausgeräumt werden, wenn meine Tochter neben meiner Frau stünde und sich telefonisch meldete. Meine Frau: "Wenn meine Tochter neben mir stünde, würde sie selber mit Ihnen telefonieren." Die Sachbearbeiterin, wohl eine Fachfrau für Unlogistik, ärgert sich und bricht das Gespräch ab.

Sachbearbeiterin drei tat das selbe, indem sie plötzlich vorgab: "Ich höre Sie nicht mehr!" Handypanne? Psychogene Ertaubung aus Langeweile? Wurscht, weg war sie jedenfalls. Nach einer halben Woche und vielen weiteren Telefonaten steht der Schrank jetzt endlich. Leiden auf hohem Niveau, gewiss.

Ich wäre allerdings für ein Volksbegehren, das die genannten Beispiele von "Kundenservice" mit einer Geldstrafe belegt. Ich unterschreibe es an Ort und Stelle. (Christoph Winder, 9.6.2022)