Arbeitsrechtlerin Jana Eichmeyer (E & H) diskutiert mit Franz Nigl (Post AG), Arbeitsminister Martin Kocher und Timo Plattner (IT-Dienstleister Pidas).

Foto: Thomas Magyar

Wirtschaftsprofessor Stephan Jansen rüttelt an alten Glaubenssätzen. Arbeitspsychologe Tobias Glück (rechts) erinnert mit Maria Ziller (Salzburg AG), Markus Tomaschitz (AVL List) und Moderatorin Karin Bauer an die Selbstfürsorge in stürmischen Zeiten.

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Fachkräftemangel, in manchen Branchen Arbeitskräftemangel. Dazu ein neues Selbstbewusstsein auf Arbeitnehmerseite – Wünsche nach Arbeitszeitverkürzung, ein Ringen um Arbeitsorte abseits der alten Büros und vielfacher Einfluss von Pandemie und Ukraine-Krieg auf das Betriebsklima: Personalabteilungen (HR) sind im Dauerstress. "HR im perfekten Sturm" lautete folglich das Motto des diesjährigen Jahresforums für die Personalwirtschaft – Power of People in der Vorwoche in Rust.

Arbeitsminister Martin Kocher hält dort vor den Fachleuten, die vielfach vom Gruseln über scheint’s fehlende Antworten auf die Personalnot gepackt sind, eine eindringliche Keynote. "Arbeitnehmern muss der rote Teppich ausgerollt werden, sonst kommen sie nicht." Was Unternehmen aktuell spüren, seien erst Vorboten der großen Umwälzungen, so Kocher. Er verwies auf die demografische Entwicklung, wonach 2030 rund 20 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre sein werden. 2050 werden es fast 30 Prozent sein. "Das bedeutet einige Hunderttausende, die nicht mehr verfügbar sind." Weder die Automatisierung noch der Nachwuchs könnten das einfach und glatt kompensieren. Kocher ruft die versammelten 150 Personalverantwortlichen auf, "in Potenzialen zu denken". Die Erwerbsquote von Frauen (die rund zur Hälfte in Teilzeit beschäftigt sind) und jene der Älteren seien "ausbaubar".

Mehr Stunden ermöglichen

Dass Teilzeit in Österreich steuerlich attraktiv sei, lässt Kocher sich sagen, allerdings nicht allein gelten als Ursache für "Österreich als Teilzeitnation". Einerseits beruft sich der Minister auf den "Zeitgeist", andererseits rechnet er vor, dass Teilzeit in Österreich oft 20 Stunden bedeute statt wie beim Teilzeit-Weltmeister Niederlande 30 oder 32 Stunden. Betriebskindergärten und andere Instrumente, um Frauen mehr Stunden zu ermöglichen, seien gefordert, auch um den "Gender- Pension-Gap" zu reduzieren.

Tatsache, so Kocher, sei jedenfalls: "Der junge, flexible Vollzeit-Mann ist immer weniger verfügbar." Dass 20 Prozent der aktuell Arbeitslosen lediglich über Pflichtschulabschluss und meist keine weiteren Schulungen verfügten, stellt er als Imperativ auch für Unternehmen in den Raum. Und bewirbt damit gleichzeitig seine nun in Diskussion befindliche Reform der Arbeitslosenversicherung mit einem degressiven Ansatz.

Was ist mit der Förderung der Mobilität, mit der Unterstützung für Firmen, Arbeitskräfte dorthin zu bekommen, wo sie auch gebraucht werden – etwa im Tourismus vom Osten in den Westen? Kocher: "Mobilität scheitert oft an hohen Wohnkosten oder der Verfügbarkeit von Wohnraum. Unternehmen beginnen jetzt, in Firmenunterkünfte zu investieren."

Bewegung und Blockade

Eine seit vielen Jahren ersehnte gute Nachricht bringt der Arbeitsminister den Firmenvertreterinnen und Firmenvertretern mit: Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird entbürokratisiert und somit der Zuzug von Fachleuten mit ihren Angehörigen beschleunigt und vereinfacht. Weniger gute News gibt es zum eigentlich für 2023 angekündigten Remote-Work-Gesetz, das den Job quasi von allen Orten aus ermöglichen soll und arbeitsrechtliche (Schutz-)Bestimmungen in die Zukunft hieven wollte. Kocher hatte bei Amtsantritt in der Pandemie das Homeoffice-Gesetz "geerbt", das im Wesentlichen nur das Arbeiten von der Wohnung aus regelt, was Unternehmen und auch Arbeitenden zu wenig ist. Besonders dann, wenn Arbeitsorte nicht im Inland liegen. Da scheint es sich zwischen den Sozialpartnern allerdings gewaltig zu spießen.

Ordentlich ins Gebet nahmen auch die anderen Keynote-Speaker die Personalchefs. Thomas Ogilvie, Personalverantwortlicher der Deutsche Post DHL Group mit weltweit rund 600.000 Beschäftigten, fasste es simpel zum Thema Bindung und Loyalität. Die Menschen wollten Chefs, "die lächeln, wertschätzen und nicht anscheißen". Bei aller Dynamik am Arbeitsmarkt ist er überzeugt, dass der Großteil der Belegschaft "Kontinuität" wolle. Dazu müssten Unternehmen eben die Stufen der Bedürfnispyramide durchleuchten, und dazu müssten sich Vorgesetzte eben entsprechend verhalten. Dahingehend seien diese auch zu schulen.

Wirtschaftswissenschafter und Uni-Professor Stephan Jansen (Universität der Künste in Berlin, Karlshochschule) erinnerte daran, dass Management ein Schlechtwettergeschäft sei, und riet dazu, den "Ballast" der Werkzeuge aus der Vergangenheit abzuwerfen. Das Unerwartbare sei nun einmal ständiger Begleiter. (Karin Bauer, 6.5.2022)