Die Handys mussten bei der Sitzung des Geheimdienstausschusses des spanischen Parlaments am Donnerstag draußen bleiben. Dokumente gab es nur zur kurzen Einsicht. Notizen durften lediglich handschriftlich gemacht werden, und es herrschte natürlich höchste Geheimhaltungsstufe. Dennoch berichteten nur Stunden später alle spanischen Medien an prominentester Stelle darüber, was die Direktorin des spanischen Geheimdiensts CNI, Paz Esteban, zu den Vorwürfen des massenhaften Ausspionierens katalanischer Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten zu sagen hatte.

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Nicht nur die Handys dutzender katalanischer Politikerinnen und Politiker, sondern auch solche der spanischen Regierungsspitze wurden ausspioniert.
Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Sie legte zahlreiche Dokumenten vor. Darin fanden sich 18 Namen von Spionageopfern, darunter der aktuelle Präsident der katalanischen Autonomieregierung, Pere Aragonès. Zehn weitere Namen waren geschwärzt. Alle Angriffe waren vom zuständigen Richter am Obersten Gerichtshof genehmigt worden.

Esteban musste vor den Ausschuss, nachdem die kanadische Organisation Citizen Lab auf 65 Handys katalanischer Politiker, Aktivisten und Anwälte die israelische Spyware Pegasus gefunden hatte.

Auch Regierungshandys betroffen

Außerdem entdeckte der spanische Geheimdienst Pegasus auf den Handys von Premier Pedro Sánchez, von Verteidigungsministerin Margarita Robles und von Innenminister Fernando Grande Marlaska. Infizierte Handys können ausgelesen werden, Kamera und Mikrofon lassen sich fernsteuern. Pegasus wird nach Angaben der israelischen Softwarefirma NSO nur an Regierungen und Regierungseinrichtungen verkauft.

Bei den Spionageangriffen auf die Katalanen ging es laut Esteban darum, gewalttätige Proteste zu verhindern. Gemeint ist wohl die Bewegung "Demokratischer Tsunami", die im Oktober 2019 unter anderem den Flughafen von Barcelona blockierte. Das Gericht hatte zuvor teils langjährige Hafturteile gegen Personen verhängt, die 2017 ein Unabhängigkeitsreferendum organisiert hatten.

"Wir werden wie internationale Jihadisten und Terroristen behandelt, obwohl wir nur die Unabhängigkeit mit demokratischen Mitteln verteidigen", beschwert sich der katalanische Regierungspräsident Aragonès und verlangt die sofortige Offenlegung der richterlichen Zustimmungen zu den Lauschangriffen. Die Fraktion seiner Partei, der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), beantragte zusammen mit einer Reihe anderer kleinerer Formationen, darunter auch der Koalitionspartner von Sánchez' Sozialisten, Unidas Podemos, einen Untersuchungsausschuss zum "Catalan Gate" im spanischen Parlament. Die Sozialisten stimmten gemeinsam mit dem konservativen Partido Popular (PP), den rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox diesen Antrag nieder.

Wie kam Pegasus auf die Handys?

Bleibt die Frage, wie Pegasus auf die restlichen katalanischen Handys kam und wer die Regierungstelefone infizierte. Es könnte sich – vor allem bei den Katalanen – um eine Operation von Teilen des spanischen Sicherheitsapparats handeln, die auf eigene Faust operieren. Auch für die Angriffe auf die Regierung könnte eine solche Gruppe infrage kommen. Denn sie fanden statt, kurz bevor Sánchez die verurteilten Katalanen im Juni 2021 begnadigte.

Allerdings kommen auch ausländische Geheimdienste infrage. Der Angriff auf Sánchez und seine Minister fand statt, als Brahim Gali, Chef der Befreiungsbewegung Polisario, die für die Unabhängigkeit der durch Marokko besetzten Westsahara kämpft, in Spanien wegen Covid behandelt wurde. Dies führte zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen Marokko und Spanien. (Reiner Wandler, 6.5.2022)