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Eine unendlich lange Liste an Aufgaben, die unaufhörlich in den Gedanken kursiert – das und noch mehr ist Mental Load.

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Es ist eine Last, die immer da ist. Neben der Erwerbsarbeit, vor dem Einschlafen oder beim Kinobesuch. Und sie wird meistens von Frauen getragen. Am Muttertag wird ihnen wieder kräftig dafür gedankt, dass sie sich um "alles kümmern". Doch was bedeutet das? Für die Frauen, für die Paarbeziehung, für die Väter?

Der Verein "Frauen beraten Frauen" bringt Licht ins Dunkel, wenn es um das geht, was seit einiger Zeit unter dem Titel "Mental Load" firmiert. "Es ist unsichtbare Denkarbeit", so beschreibt Barbara Schrammel, Psychotherapeutin und Beraterin bei "Frauen beraten Frauen", den Begriff Mental Load. Das eine ist, dass Frauen für viele konkrete Aufgaben zuständig sind, hinzu kommt, für alles verantwortlich zu sein. Es geht also nicht nur um konkrete Arbeit, sondern um die große To-do-Liste hinter diesen Aufgaben, erklärt Schrammel und bringt ein Beispiel: Mit dem Kind zur Ärztin zu gehen, das ist eine konkrete Tätigkeit. Drum herum ist es allerdings nötig, den Termin zu machen, überhaupt daran zu denken, dass einer nötig ist oder dass eine Impfung ansteht. Man muss die E-Card heraussuchen, wissen, wo sie ist, dasselbe gilt für den Eltern-Kind-Pass, und man muss im Kindergarten Bescheid geben, dass das Kind später kommt.

Diese Denkarbeit liegt meist bei den Müttern. Das ist bis heute oft noch so selbstverständlich, dass Frauen vielfach nicht bewusst ist, dass das Arbeit ist. "Es ist eine permanente Belastung des Gehirns und des Körpers – und das ohne Pause. Das erschöpft und frustriert, denn eigentlich glauben viele Paare, dass sie doch gemeinsam Verantwortung für die Fürsorgearbeit tragen." Schaut man sich die tatsächliche Verteilung an, wird sichtbar, dass dies in Österreich noch kaum der Fall ist. "Moderne Väter" helfen mit bei der Kinderbetreuung und der Hausarbeit, sie fühlen sich allerdings nicht wirklich dafür zuständig.

Zu den Paarworkshops, die Barbara Schrammel gemeinsam mit einem Kollegen anbietet, kommen Menschen, die schon sehr bemüht um eine gerechte Verteilung der Lasten sind – und trotzdem scheitern auch sie an diesen unsichtbaren Denkaufgaben, erzählt Schrammel. Woran scheitert es also? "Am Verständnis füreinander und daran, diese Last zu sehen", sagt die Psychotherapeutin.

Deshalb sei der erste wesentliche Punkt, diese Arbeit, diese Verantwortung, an alles zu denken, sichtbar zu machen, etwa mit Listen und Gesprächen. Zentral sei, dass es nicht nur allein darum geht, konkrete Aufgaben zu verteilen, sondern Verantwortung zu verteilen. Nur wenn der andere die gesamte Verantwortung für einen Bereich übernimmt, kann es eine Entlastung für die Partnerin sein.

Emotionale Arbeit

Ein Teil von Mental Load sind auch sämtliche emotionale Aufgaben. Gedanken wie "Was ist eine gesunde Ernährung für meine Kinder?", "Haben sie Freud:innen, muss man ein Play-Date organisieren, geht es ihnen gut im Kindergarten?", "Brauchen sie vielleicht irgendeine Förderung oder Ergotherapie?" zählen dazu. Oder: "Haben sie Liebeskummer? Geht es allen gut in der Familie?" Frauen sind oft so sozialisiert, dass sie sich für diese Gefühlsarbeit verantwortlich fühlen. Schrammel: "Das ist zwar eine schöne Arbeit, aber es ist auch Arbeit, die erschöpft – und sie lässt Frauen oft ständig auf die Bedürfnisse anderer schauen."

"Frauen beraten Frauen" haben in Kooperation mit anderen Vereinen eine Instagram-Kampagne zu Mental Load gestartet.

Doch warum fühlen sich noch immer Frauen für so viel innerhalb der Familie zuständig? Schrammel sieht noch starke gesellschaftliche Normen und völlig unterschiedliche Rollenerwartungen an Väter und Mütter am Werk. "Wie wir Vater- oder Muttersein leben, das ist nur zum Teil unsere freie Entscheidung. Die Rollen, die wir einnehmen, haben auch immer einen kollektiven kulturellen Kern." Deshalb sei es auch wichtig, sich mit Rollenbildern auseinanderzusetzen. Doch abgesehen von individuellen Techniken drängen auch strukturelle Rahmenbedingungen Frauen in die Verantwortung für die Familienarbeit, kritisiert Schrammel. Weniger als ein Prozent der Männer gehen länger als sechs Monate in Karenz. "Es ist eine gesellschaftliche Norm, dass Frauen länger in Karenz bleiben und in Elternteilzeit gehen. Somit sehen die Männer überhaupt nicht, was alles zu tun ist."

Lässt sie ihn nicht?

Unter dem Motto "Maternal Gatekeeping" ist allerdings immer wieder zu hören: Väter könnten es gar nicht richtig machen – und die Mütter nehmen es ihnen aus der Hand. Frauen würden demnach Väter nichts tun lassen, um etwa mit der Kindererziehung immer wieder ihr Territorium festzulegen. Barbara Schrammel hält dieses Argument für schwierig: "Ich habe viel mit Kontaktrecht und Obsorge-Streitigkeiten in der Frauenberatung zu tun. Da wird Frauen oft vorgeworfen, sie würden die Beziehung zum Vater verhindern." Doch gleichberechtigte Elternschaft beginne von Anfang an, wenn eine Mutter das Kind gestillt habe, könne es der Vater ins Bettbringen. Denn Verantwortung abzugeben gelinge nur dann, wenn die andere Person die Verantwortung übernehme. Dann könnten Mütter die Sicherheit erlangen, dass sich der Vater genauso gut um die Kinder kümmern kann, sagt Schrammel. "Da sind die Väter gefragt, das einzufordern, ebenso in Karenz zu gehen."

Auch die Therapeutin hört oft von Vätern, sie hätten das Gefühl, nichts richtigzumachen. "Sicher können und müssen Frauen ihren Perfektionismus reduzieren – aber ich möchte das nicht auf eine individuelle Ebene heben." Vielmehr gehe es um hohe Erwartungen an Frauen, dass sie bei ihren Kindern alles richtig machen müssen – und sie verantwortlich sind, wenn etwas schiefgeht. Die Ansprüche an Mütter seien viel höher als an Väter, sagt Schrammel.

Sie rät Paaren, über ihre Bedürfnisse zu sprechen und auszuhandeln, was Mindeststandards sind und was jede:r braucht, um nicht überlastet zu sein. Das Teilen von Mental Load ist ein Prozess, es bedarf viel Kommunikation – aber es lohnt sich für alle Beteiligten in einer Familie. (Beate Hausbichler, 8.5.2022)