Bild nicht mehr verfügbar.

Sollte das Bündnis bei den Parlamentswahlen die Mehrheit bekommen, könnte Jean-Luc Mélenchon zum Premier ernannt werden.

Foto: AP/Michel Spingler

Paris – Mit geeinten Kräften will Frankreichs linkes Lager den wiedergewählten Präsidenten Emmanuel Macron bei der Parlamentswahl im Juni um eine Mehrheit in der Nationalversammlung bringen. Nach den Grünen und den Kommunisten stimmten in der Nacht auf Freitag auch die Sozialisten einem Bündnis mit der Linkspartei LFI von Jean-Luc Mélenchon zu. Am Samstag wollen die Parteien gemeinsam in den Wahlkampf starten.

Der Zusammenschluss des zersplitterten Lagers ist historisch und könnte Macron gefährlich werden. Das Bündnis namens Nouvelle Union populaire écologique et sociale hat als klares Ziel, bei der Wahl die Mehrheit im Parlament zu holen. Damit will es die Macht des liberalen Staatschefs Macrons deutlich einschränken.

Sollte die neue Allianz die Parlamentsmehrheit holen, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus ihren Reihen zu ernennen. Laut den Abmachungen der Parteien soll dies dann Mélenchon werden. Seine Vorhaben könnte Macron bei einer solchen "Kohabitation" dann nicht mehr so einfach umsetzen.

Gewisse Regeln der EU sollen umgangen werden

Wie wahrscheinlich ein Sieg der Linken ist, ist schwer abzuschätzen. Zwar hat Macron aktuell mit anderen Mitte-Parteien eine stabile Mehrheit, und zuletzt wurde der gewählte Präsident immer auch bei der Parlamentswahl bestätigt, doch Frust und Enttäuschung über Macrons erste Amtszeit dürften ihm Stimmen kosten. Einer Umfrage von Ende April zufolge wollten nur etwa ein Viertel der Französinnen und Franzosen, dass Macrons Lager die Parlamentswahl gewinnt. 35 Prozent sprachen sich für einen Sieg der Linken aus.

Unabhängig vom Wahlausgang hat der Zusammenschluss aber auch bei den involvierten Parteien teils bereits für Murren gesorgt. Der ehemalige Sozialist Mélenchon, die treibende Kraft im Bündnis, steht mit seiner Partei LFI deutlich weiter links als Grüne und Sozialisten.

Ein strittiger Punkt war bei den Verhandlungen die Europapolitik. Denn während LFI teils Europa-skeptisch ist, sieht sich die Sozialistische Partei als klar proeuropäisch. Nun wurde gemeinsam festgehalten, dass man gewisse Regeln in der Europäischen Union zumindest zeitweise umgehen könne, um seine Politik umzusetzen. Dabei handelt es sich laut Mélenchon um Regeln, die in Diskrepanz oder sogar im Widerspruch zu den Erfordernissen der ökologischen und sozialen Dringlichkeit stehen.

Todesstoß für Sozialisten?

Besonders von ehemaligen Parteigrößen musste sich die sozialistische Parteiführung während der Verhandlungen anhören, sich der LFI zu unterwerfen und ihren Grundprinzipien nicht treu zu sein. Der frühere sozialistische Premier Bernard Cazeneuve etwa kündigte als Reaktion auf das Abkommen seinen Parteiaustritt an. Die einstige Volkspartei ist anders als bei früheren Allianzen nun nicht führende Kraft. Mit ihrem historisch schlechten Ergebnis von 1,75 Prozent bei der Präsidentschaftswahl hatten sie gegenüber von Mélenchon, der auf 21,95 Prozent kam, keinen Führungsanspruch und waren so auch zu gewissen Zugeständnissen gezwungen.

Bei einigen Sozialisten wie dem letzten sozialistischen Präsidenten François Hollande (2012–2017) ist angesichts dessen die Sorge groß, der Zusammenschluss könnte der Todesstoß für die Partei sein. Gleichzeitig ist fraglich, wie viele Stimmkreise die geschwächten Sozialisten alleine überhaupt hätten holen können. Denn wegen des Mehrheitswahlrechts haben es kleine Parteien ohne gewichtige Partner bei der Parlamentswahl in Frankreich schwer. (APA, red, 6.5.2022)