Der Kult um das Bücherregal ist ein populäres Thema in der koreanischen Malerei: "Book on Book" von Lee Hwa Young.

Lee Hwa Young

Spätestens seit der Pandemie gehören sie zum Zoom-Call wie das Bühnenbild zum Theater: Bücherregale. Egal ob sie sich nun Billy schimpfen oder aus edlem Eichenholz verfertigt antiquarische Schmöker als Bildungsausweis beherbergen – sie sind die dankbarsten Kulissen, wenn es darum geht, Professionalität zu markieren.

Fachexpertise aus dem Interieurdesign weiß freilich auch: So ein Bücherregal kann und soll durchaus mehr sein als ein staubiger Bücherhort. Zum lebensgroßen Setzkasten ausgebaut, ist in ihm Platz für zig andere Utensilien, die dem Betrachtenden unsere Individualität offenbaren. In Korea hat man dafür sogar ein eigenes Wort: "chaekgeori".

Die Darstellung von möglichst ästhetisch zu einem Ensemble arrangierten Bücherregalen mit Pflanzen, Schriftrollen, Statuetten oder Ritualgefäßen hat seit dem 18. Jahrhundert große Tradition in der koreanischen Genremalerei. Der Spleen der Reichen, sich nicht nur derart einzurichten, sondern diese Stillleben auch künstlerisch festzuhalten, wurde Teil der Volkskunst.

Zum 130-Jahr-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Korea und Österreich zeigt das Weltmuseum nun die Sonderausstellung Chaekgeori – Our Shelves, Our Selves. Zu sehen ist, wie zeitgenössische Künstlerinnen das populäre Genre neu definieren. Der wesentlichste Unterschied: Ordnung muss nicht mehr unbedingt sein. Heute gilt vielmehr, dass gerade dem chaotischen Arrangement der kreativste Geist entspringt. Wild purzeln die Kunstbildbände mit Küchengeschirr, Kaffeebechern und Elektronikteilen durcheinander.

Kitsch und Spaß

Und ja, stimmt schon: Einige der großformatigen, in pastelligen Tönen gehaltenen Bilder wird man zurecht als Kitsch in der Möbelhausabteilung verorten wollen. Ironisch gebrochen hingegen macht das Genre Spaß. Ko Ga-Min kombiniert Tafelbild und Videoscreen, andere integrieren Symbole des Surrealismus oder türmen Bücher zu modernistischer Architektur, Hong Kyoung-Tacks Bibliothek 3 lässt die heute so beliebte quietschbunte Popkultur Südkoreas anklingen.

Dem Weltmuseum, das danach strebt, mehr zeitgenössische (Volks-) Kunst in sein Programm zu integrieren, ist eine überraschend aktuelle, witzige Schau gelungen. Und allen, die in ihren Homeoffices noch immer traurige, nackte Wände haben, kann ja vielleicht ein gemaltes Chaekgeori Abhilfe leisten. (Stefan Weiss, 6.5.2022)