Alle hatten es vermutet – und nun berichtet auch die New York Times darüber und beruft sich auf US-Regierungskreise: Beim Untergang des russischen Raketenkreuzers Moskwa im Schwarzen Meer vor knapp einem Monat hätten die USA ihre Finger im Spiel gehabt. Zwar äußern sich die anonymen Informanten unterschiedlich zum Ausmaß der Hilfestellung; unter dem Strich bleibt aber übrig, dass das US-Verteidigungsministerium viel tut, um die Ukraine mit Echtzeitinformationen zu beliefern.

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Die Moskwa (Foto: 2013) war der US-Marine wohlbekannt.
Foto: Reuters

Das war offenbar auch am 13. April so: Ukrainische Landstreitkräfte feuerten zwei Neptun-Raketen ab, nachdem Kiew aus dem Pentagon eine Bestätigung erhalten hatte, dass es sich bei der Ortung eines Schiffes tatsächlich um die Moskwa handelte. Pentagon-Sprecher John Kirby versuchte zwar, die Rolle der USA herunterzuspielen, und sagte, "die Ukrainer haben ihre eigenen nachrichtendienstlichen Fähigkeiten"; doch ein Offizier habe der New York Times bestätigt, dass sich die US-Hilfe nicht auf die Bestätigung von GPS-Daten beschränkt habe.

Der Untergang der Moskwa wurde offenbar durch den Umstand erleichtert, dass dieses relativ betagte Schiff (Stapellauf war 1979) den USA recht gut bekannt war: Um die Jahrtausendwende durften Offiziere im Zuge einer heute undenkbaren Militärkooperation Schiffe der jeweils anderen Seestreitkraft besuchen. Schon damals seien den US-Militärs gravierende Sicherheitsmängel an Bord der Moskwa aufgefallen, etwa mangelhafte Löschsysteme. So gesehen waren essenzielle Schwachpunkte der russischen Marine im Pentagon schon seit Jahrzehnten bekannt – und konnten nun zum eigenen Vorteil verwertet werden.

Weiteres russisches Kriegssschiff getroffen?

Nach dem Verlust der Moskwa verbleiben der russischen Schwarzmeerflotte nur drei weitere große Kriegsschiffe – und eines davon könnte bereits das nächste Ziel geworden sein: Die erst 2017 in Dienst gestellte Fregatte Admiral Makarow sei am Donnerstag oder Freitag von mindestens einer Rakete getroffen worden und brenne. Berichte, dass auch sie gesunken sei, ließen sich vorerst nicht unabhängig bestätigen.

Deutschland liefert schweres Gerät

Die Beziehung zwischen Deutschland und der Ukraine rund um die russische Invasion bleibt kompliziert: Am Freitag erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei einem Besuch in der Slowakei, man werde sieben Panzerhaubitzen 2000 gen Osten liefern – ein schweres Artilleriesystem. Das hinderte den ukrainischen Botschafter in Berlin freilich nicht daran, weiter Kritik zu üben. Die Bundesregierung habe bisher Waffen im Wert von knapp 190 Millionen Euro geliefert, das kleine Estland im Wert von über 200 Millionen, sagte Andrij Melnyk am Freitag im Deutschlandfunk. Er glaube, dass es in Berlin noch viel Luft nach oben gebe und großer Handlungsbedarf bestehe, "um der Ukraine im Überlebenskampf zu helfen".

"Außergerichtliche Hinrichtungen"

Unterdessen präsentierte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Freitag einen 40-seitigen Bericht über mutmaßliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Unter anderem seien "rechtswidrige Luftangriffe auf Borodjanka" sowie "außergerichtliche Hinrichtungen" in Butscha und weiteren Städten und Dörfern rund um Kiew dokumentiert worden, so Amnesty, das von 22 Fällen in und bei Butscha und mehr als 40 Toten in Borodjanka berichtet.

Neue Rettungsmission geplant

Im Osten des Landes in der belagerten Hafenstadt Mariupol haben die russischen Truppen ihre Bodenoffensive auf das Stahlwerk Asow-Stahl fortgesetzt. Laut dem britischen Geheimdienst würden sie dabei auch hohe Verluste in Kauf nehmen. In dem Stahlwerk sollen sich neben ukrainischen Kämpfern nach wie vor etwa 200 Zivilisten befinden. Für sie war am Freitag eine Rettungsaktion geplant. Bei zwei Evakuierungen in den vergangenen Tagen konnten etwa 500 Zivilisten aus dem Stahlwerk in die von der Ukraine kontrollierte Großstadt Saporischschja gebracht werden.

Reisediplomatie

Die Außenminister der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind am Freitag in die Ukraine gereist. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock soll in den nächsten Tagen nach Kiew reisen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird am Mittwoch UN-Generalsekretär António Guterres in der Hofburg empfangen. Thema des Treffens wird der Ukraine-Krieg sein.

Verurteilung

In Belarus, das Russland bei der Invasion unterstützt, wurde die bei der Zwangslandung eines Passagierflugzeugs festgenommene Freundin des Oppositionellen Roman Protasewitsch zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Russin Sofia Sapega wurde Anstachelung zum Hass vorgeworfen. (Gianluca Wallisch, Kim Son Hoang, 6.5.2022)