Das entlegene Platzertal soll geflutet werden, Umweltschützer laufen Sturm gegen diese Pläne.

Foto: Christoph Praxmarer

Innsbruck – Gegen die Kraftwerkspläne des Tiroler Stromversorgers Tiwag regt sich weiter Widerstand. Am Freitag wurde die sogenannte Kaunertal-Erklärung präsentiert. Darin fordern ein Bündnis von 40 Umweltschutzorganisationen sowie Stimmen aus der Wissenschaft den sofortigen Stopp der Ausbaupläne rund um das Kraftwerk Kaunertal.

Das umstrittene Projekt ist gigantisch. Das bestehende Pumpspeicherkraftwerk soll um 1,3 Milliarden Euro erweitert werden. Dies umfasst einen neuen Speicher im Platzertal, das mittels einer 120 Meter hohen Staumauer geflutet werden soll.

Um genügend Wasser zur Stromerzeugung zur Verfügung zu haben, sollen die Venter und Gurgler Ache im benachbarten Ötztal angezapft werden. Das hätte zur Folge, dass bis zu 80 Prozent von deren Fließwasser über ein riesiges Tunnelsystem abgeleitet wird, kritisieren Umweltschutzorganisationen.

Dritter großer Kritikpunkt ist die zusätzliche Schwall-Sunk-Belastung, die der Ausbau für den Inn bedeuten würde. Denn durch das plötzliche Ablassen großer Wassermengen steigt und sinkt der Wasserpegel im Fluss, was zu einem Massensterben von Fischen führt.

NGOs und Wissenschaft fordern Umdenken

Seitens des WWF, der die Kaunertal-Erklärung initiiert hat, forderte Bettina Urbanek von der Tiroler Landesregierung, sich für den Schutz der letzten intakten Alpenflüsse einzusetzen, statt sie durch Kraftwerke zu zerstören. Der Gewässerökologe Klement Tockner von der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung pflichtete dem bei: "Wasserkraft ist zwar erneuerbare Energie, aber keinesfalls umweltfreundlich oder klimaneutral." Daher fordert das Bündnis von der Tiroler Landesregierung, die Energiewende ohne das Großprojekt zu planen.

Bei der ÖVP stößt man damit allerdings auf taube Ohren. Wer gegen Wasserkraft sei, spiele autoritären Regimen in die Hände, verteidigte Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler die Kraftwerkspläne. Das Projekt Kaunertal sei der wichtigste Baustein der geplanten Tiroler Energiewende, die bis 2050 einen Ausstieg aus fossiler Energie vorsieht.

Grüne im Zwiespalt

Sein grünes Pendant, Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe, tut sich aus Koalitionsräson etwas schwer, dagegenzuhalten. Sie verweist darauf, dass ein "Verbesserungsauftrag" für den Ausbau laufe, dem die Tiwag bis Februar 2023 nachkommen wolle und der "voraussichtlich umfangreiche Umplanungen" enthalte.

Im Frühjahr 2023 steht die Tiroler Landtagswahl an. Das Thema Kaunertal dürfte bis dahin zu einem der großen Zankäpfel zwischen den Koalitionspartnern werden. Denn anders als Felipe äußerte sich Klubobmann Gebi Mair, der die Grünen als Spitzenkandidat in diese Wahl führen will, bereits deutlich schärfer. Er nannte die Tiwag-Kraftwerkspläne im Kaunertal "ferne Phantasien" und pocht stattdessen auf Energiesparmaßnahmen und Ausbau der Photovoltaikanlagen zum Erreichen der Energiewende. (Steffen Arora, 6.5.2022)