Auf diesem Foto vom 4. Mai 2022 verfolgen Menschen in Südkorea die Übertragung eines Raketentests in Nordkorea.

Foto: APA/AFP/JUNG YEON-JE

Seoul – Nordkorea hat nach Angaben des südkoreanischen Militärs möglicherweise eine atomwaffenfähige U-Boot-Rakete getestet. Nordkorea habe eine ballistische Rakete am frühen Samstagnachmittag (Ortszeit) vor Sinpo in Richtung offenes Meer abgefeuert, so der Generalstab. Es handle sich vermutlich um eine U-Boot-gestützte ballistische Rakete (SLBM) von kurzer Reichweite. Ob sie tatsächlich von einem U-Boot oder eventuell von einer Unterwasserplattform abgeschossen wurde, blieb unklar.

Auch das japanische Verteidigungsministerium schrieb auf Twitter, bei dem Projektil könnte es sich um eine ballistische Rakete gehandelt haben. Das Geschoß sei schließlich ins Meer gefallen, teilte die japanische Küstenwache mit. Bereits am Mittwoch hatte Nordkorea südkoreanischen und japanischen Angaben zufolge eine Rakete getestet.

Amtswechsel in Südkorea

Am 10. Mai tritt der neue südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol sein Amt an. Der frühere Generalstaatsanwalt strebt eine härtere Gangart gegenüber Nordkorea an. Dessen Machthaber Kim Jong-un kündigte vergangene Woche bei einer Militärparade an, die Entwicklung von Atomwaffen zu beschleunigen zu wollen.

Der Einsatz von U-Booten, die als Träger von ballistischen Raketen dienen, würde nach Ansicht von Beobachtern einen großen Fortschritt für Nordkoreas Pläne bedeuten, seine atomare Schlagkraft auszubauen. UNO-Resolutionen verbieten dem Land die Erprobung jeglicher Art von ballistischen Raketen. Das sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die je nach Bauart auch einen oder mehrere Atomsprengköpfe tragen können.

Unterwasserraketen

SLBM (Submarine-Launched Ballistic Missiles) gelten als Waffen von besonderem strategischen Wert. Raketen, die von einem abgetauchten Trägerschiff abgefeuert werden, sind schwerer vom Gegner zu entdecken. Nordkoreas Nachbarland Südkorea gilt als das erste Land, das SLBM entwickelt, ohne selber Atomwaffen zu haben. Nordkorea verfügt nach eigener Aussage schon länger über die SLBM-Technologie. Doch wurden seine Angaben über bisherige Versuchsstarts vom U-Boot aus angezweifelt. Es wird vermutet, dass es dazu eine unter Wasser schwimmende Plattform genutzt haben könnte.

Beim jüngsten Test flog die Rakete den Angaben Südkoreas zufolge bei einer Flughöhe von bis zu 60 Kilometern etwa 600 Kilometer weit über dem Japanischen Meer (koreanisch: Ostmeer), bevor sie ins Wasser stürzte. Der Nationale Sicherheitsrat Südkoreas warf dem international isolierten Nachbarland vor, durch sein Verhalten die Sicherheit in der Region zu gefährden. Nordkorea hat bisher in diesem Jahr schon 15 Runden von Raketentests unternommen, darunter auch mindestens einen neuen Test einer Interkontinentalrakete (ICBM).

Mehrere Raketentests

Vor dem jüngsten Waffentest hatte Nordkorea zuletzt am Mittwoch laut Südkorea und Japan eine ballistische Rakete abgefeuert. Sie flog demnach 470 Kilometer weit. Unklar blieb aber, um welchen Raketentyp es sich genau handelte. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei um einen letztlich fehlgeschlagenen Test einer Langstreckenrakete gehandelt haben könnte.

Die jüngsten nordkoreanischen Raketentests erfolgten in Zeiten wachsender Unsicherheit in der Region. Experten vermuten, dass Nordkorea auch versucht, den Druck auf die USA zu erhöhen, damit diese konkrete Vorschläge für neue Verhandlungen machen. Die Gespräche mit Nordkorea über sein Atomwaffenprogramm kommen seit mehr als drei Jahren nicht mehr voran. Die Führung in Pjöngjang wirft der US-Regierung eine feindselige Politik vor.

Washington befürchtet, dass Nordkorea noch in diesem Monat einen neuen Nukleartest unternehmen könnte. In zwei Wochen besucht Präsident Joe Biden die US-amerikanischen Verbündeten Südkorea und Japan. (APA, 7.5.2022)