Die Szene von der Verhaftung Georg Rinnerthalers, überblendet von einem eingeschlagenen Fenster, ist das zentrale Motiv des temporären Gedenkortes in Neumarkt am Wallersee..

Foto: Thomas Neuhold

Die Täter seien nicht von außen gekommen, die Täter seien Leute aus dem Ort, Nachbarn, Verwandte gewesen. Das ist eine der zentralen Botschaften des temporären Erinnerungsortes an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Neumarkt am Wallersee. Die erste von insgesamt sechs derartigen zeitlich befristeten Interventionen im öffentlichen Raum – in jedem Salzburger Bezirk eine in den kommenden sechs Jahren – ist Samstagnachmittag eröffnet worden.

Im Mittelpunkt der Eröffnung im Flachgau stand die Aktion "Einwurf" des Salzburger Künstlers Bernhard Gwiggner, die an den widerständigen Georg Rinnerthaler erinnert. Der Gasthausbesitzer und sein Sohn wurden im März 1938 und ein Jahr im KZ Dachau interniert. Bereits in der Nacht seiner Rückkehr nach Neumarkt im März 1939 schlugen örtliche Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen 51 Fenster seines Hauses ein.

Gewalt erfahrbar machen

Dieser Gewaltakt wurde bei der Kunstaktion erfahrbar gemacht. Die Teilnehmer warfen angefertigte Fenster mit Steinen ein. Wobei jeweils einmal die Position der Täterin und der Opfer – also einmal vor und hinter der Glasscheibe – eingenommen wurde. Eine Szene von der Verhaftung Rinnerthalers, überblendet von einem eingeschlagenen Fenster, ist als zentrales Motiv zudem an mehreren Stellen im Ort zu sehen – etwa auf Fahnen vor dem Stadtgemeindeamt und Plakatständern an der Stadteinfahrt. Dass Rinnerthaler selbst als Obmann der Christlichsozialen Partei Neumarkt antidemokratische Positionen vertrat, wurde bei der Aktion am Samstag nicht thematisiert.

Für die musikalische Umrahmung des Festakts sorgte das Electro-Post-Punk-Duo "Laut Fragen". Maren Rahmann und Didi Disko haben historische Texte des Widerstandes gegen Nationalsozialismus vertont.

Permanente Gefährdung

Das Projekt "Orte des Gedenkens" geht auf einen Vorschlag des Zweiten Landtagspräsidenten Sebastian Huber (Neos) zurück. Politisch getragen wird das Projekt von Kulturressortchef Landeshauptmannstellvertreter Heinrich Schellhorn (Grüne) und Baulandesrätin Andrea Klambauer (Neos).

Zentrales Motiv des Projekts "Orte des Gedenkens" ist die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart. "Mit Widerstand im Nationalsozialismus beschäftigen und nicht mitzudenken, dass auch heute Menschen wegen ihrer kritischen Haltung verfolgt, eingesperrt und hingerichtet werden, wäre verantwortungslos. Es geht uns nicht um ein rückwärtsgewandtes Erinnern, vielmehr um eine Sensibilisierung dafür, dass unsere Zivilgesellschaft einer permanenten Gefährdung ausgesetzt ist", betonte die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder vom Projektteam bei der Eröffnungsrede.

Geleitet wird das Projekt von der Arbeitsgemeinschaft "Orte des Gedenkens", der die Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder und die Historiker Albert Lichtblau und Robert Obermair angehören.

Agnes Primocic

Der nächste temporäre Gedenkort wird im kommenden Jahr im Salzburger Tennengau in Hallein verwirklicht. Er soll an die kommunistische Widerstandskämpferin Agnes Primocic erinnern, die 17 bereits zum Tode verurteilte KZ-Häftlinge vor der angeordneten Erschießung rettete.

Neben den künstlerisch gestalteten Erinnerungsorten werden die Biografien der Betroffenen und die verschiedenen Formen des Widerstands historisch aufgearbeitet und mit einem Vermittlungsprogramm für Schülern und Schülerinnen begleitet. Nach der Eröffnung wird das Thema auch in mehreren Diskussionsabenden und Workshops mit Jugendlichen in der Gemeinde Neumarkt weiter beleuchtet. Vor den Veranstaltungen findet um 18 Uhr am Platz vor dem Kriegerdenkmal jeweils wieder die Kunstaktion "Einwurf" von Bernhard Gwiggner statt. (Thomas Neuhold, 7.5.2022)