Die Debatte über die Frage, wie sinnvoll eine Gewinnabschöpfung bei staatsnahen Energiekonzernen ist, ist voll entbrannt. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat sie mit der Ansage, bei Konzernen wie Verbund oder OMV die durch die Energiekrise entstandenen Zusatzgewinne abschöpfen zu wollen, in Gang gebracht. Nehammers Argument: "Zufallsgewinne bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gehören dem Volk und nicht dem Unternehmen allein."

Von "fatalen Signalen" für künftige Investitionen aller Unternehmen in diesem Land spricht Eco-Austria-Chefin Monika Köppl-Turyna auf Twitter. Auch (teil)staatliche Unternehmen müssten "im Sinne der Eigentümer bzw. gewinnorientiert agieren". Auch die deutsche Wirtschaftswissenschafterin Dominika Langenmayr führt dort Argumente ins Treffen. Eines davon: "Fängt man einmal an, in Sondersituationen neue Steuern auf erfolgreiche Marktteilnehmer einzuführen, zerstört man das Vertrauen ins Steuersystem."

Mit einer Abschöpfung der Sonderprofite aus den gestiegenen Energiepreisen könnte sich die Regierung die Finger verbrennen, warnen viele.
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Solange den Unternehmen der in den Vorjahren übliche Gewinn bleibe und ganz klar sei, dass die Gewinnabschöpfung aus dieser einmaligen, außerordentlichen Situation hergeleitet werde, sehe er ökonomisch keine Probleme, sagt hingegen IHS-Ökonom Christian Kimmich zur APA. Juristische Probleme könnte es geben, wenn teilstaatliche Unternehmen anders behandelt werden als rein private, gibt Kimmich zu bedenken.

"Brutal toxisch"

Am Kapitalmarkt herrscht hingegen Verwunderung bis Entsetzen. Von "brutal toxisch" bis "Vertrauen schwer beschädigt" ist bei vielen kapitalmarktnahen Personen die Rede – und von schwerem Schaden für den Finanzplatz Wien, sollte dies so umgesetzt werden. Schon am Tag der Ankündigung wollten viele Investoren nur noch raus aus den betroffenen Aktien, um jeden Preis.

Am stärksten betroffen war der Verbund, dessen Börsenwert sich binnen Minuten bei sehr hohen Handelsumsätzen wegen eines 13-prozentigen Kurssturzes um bis zu fünf Milliarden Euro verringerte.

Steigende Gewinne

Im Vorjahr betrug der Verbund-Gewinn 874 Millionen Euro. Heuer könnte er dank der Zusatzgewinne, auch "windfall profits" genannt, auf bis zu zwei Milliarden steigen. Warum? Der Stromerzeugung über die Wasserkraftwerke kostet nicht mehr, obwohl die Konsumentenpreise stark gestiegen sind. Das führt zu hohen Gewinnspannen. Allerdings übertrifft der durch die Kanzleraussage um fünf Milliarden verringerte Marktwert des Verbunds die abzuschöpfenden Erträge um ein Vielfaches – kein gutes Geschäft für das Volk. Der Verbund gehört zu 51 Prozent der Republik, inklusive der Beteiligungen an den Landesversorgern EVN, Wiener Stadtwerke und Tiwag sind etwa 80 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand.

Die Stromerzeugung über die Wasserkraftwerke kostet nicht mehr, obwohl die Konsumentenpreise stark gestiegen sind. Das führt zu hohen Gewinnspannen.
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Als "sehr negativ" und "irritierend" bezeichnet Alois Wögerbauer, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft 3 Banken-Generali, den Vorstoß Nehammers. Dessen Ansicht, die Zusatzgewinne gehörten dem Volk, teilt Wögerbauer nicht: "Das stimmt so nicht." Man könne über vieles diskutieren, es gebe auch andere Möglichkeiten. Der Staat als Mehrheitsaktionär des Verbunds könne diese Gewinne auch über normale Ausschüttungen erhalten.

Der Großteil der Verbund-Dividenden bleibt ohnedies im Inland, 80 Prozent des Versorgers gehören der öffentlichen Hand. Vom 20-prozentigen Streubesitz dürften ein Viertel bis ein Drittel von inländischen Aktionären gehalten werden.

Bewertungsabschlag

Wögerbauer sieht Nehammers Aussagen vorerst pragmatisch. "Wenn da nichts mehr kommt, ist das in drei Wochen Geschichte." Bei einer Umsetzung der Gewinnabschöpfung sei dies anders. "Dann wird es bei Unternehmen zu einem deutlichen Bewertungsabschlag führen, an denen der österreichische Staat beteiligt ist", warnt Wögerbauer.

"Solche politischen Ansätze sollten in ein Gesamtkonzept einfließen und ausdiskutiert werden", sagt Andreas Zakostelsky, Obmann des Fachverbands der Pensions- und Vorsorgekassen. "Ansonsten könnte dies den heimischen Kapitalmarkt viel an Vertrauen kosten und würde nicht dazu beitragen, den Finanzplatz Österreich für institutionelle Anleger wie uns attraktiv zu gestalten." Ihm zufolge veranlagen die heimischen Pensions- und Vorsorgekassen für rund fünf Millionen Menschen in Österreich rund 44 Milliarden Euro an Sozialkapital.

Begrüßenswerter Kurswechsel

Lob erntete Nehammer vom Arbeiterkammer-Experten Markus Marterbauer: "Unerwartet, aber sehr erfreulich" sei der Kurswechsel des Kanzlers. Die Verlierer der Situation, die Energiekonsumenten, gehören seiner Ansicht nach entschädigt und im Gegenzug die Zusatzgewinne abgeschöpft – und zwar nicht nur bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung, sondern bei allen. (Alexander Hahn, Regina Bruckner, 9.5.2022)