Baumaterial ist derzeit oft rar und teilweise sehr teuer geworden. Das zieht vermehrt Diebe an, die Kleinmaschinen und Material entwenden.

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Die Baubranche war eigentlich eine, die zu Beginn der Pandemie bevorzugt war – durfte sie im ersten Lockdown doch relativ rasch ihre Mannschaften wieder zurück auf die Baustelle schicken. Doch mittlerweile steckt der Sektor in einer Krise. Lieferschwierigkeiten und eine Kostenexplosion bei diversen Materialien lasten auf der Branche.

Die Preisaufschläge gehen teilweise durch die Decke. Eine Tonne Baustahl etwa kostet Großabnehmer derzeit rund 2.100 Euro netto. Vor eineinhalb Jahren mussten dafür rund 700 Euro veranschlagt werden. Holz war im vergangenen Sommer derart nachgefragt, dass sich Bauherren Sorgen machten, ob sie genügend Latten für Dachstühle bekommen werden. Der Kubikmeter Holz verteuerte sich im Lauf der vergangenen zwei Jahre von 250 Euro auf in der Spitze bis zu 800 Euro.

Lange Lieferzeiten, hohe Kosten

Dämmstoffe, Fenster, Elektroausstattung, Aluminium, Parkettböden – ja sogar Kleinwaren wie Spezialnägel waren und sind teils Mangelware. Die Kosten für Materialien sind massiv gestiegen, Lieferfristen haben sich verlängert. Dieses Umfeld lockt auf Baustellen auch jene an, die man dort nicht haben will: Diebe.

Eine Umfrage vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) und dem Bundeskriminalamt (BKA) vom Juni 2021 zeigt, dass 88 Prozent der Unternehmen von Diebstählen mit hoher Schadenssumme betroffen waren. Befragt wurden 101 Baufirmen und 49 Baumaschinenverleiher. Bei einer von fünf Baustellen war der Schaden größer als 100.000 Euro.

"Betreten der Baustelle verboten"

Ein Schild, wonach das Betreten der Baustelle verboten sei, "ist oft die einzige Sicherungsmaßnahme bei mittleren und kleineren Baustellen", sagt Ujbien Shehu, Direktor Sicherheitsberatung beim Sicherheitsunternehmen G4S. 82 der für die Umfrage beobachteten 117 Baustellen waren nur durch so ein Schild "abgesichert". 75 Baustellen waren mit einem Bauzaun umschlossen. Doch diese Zäune, die oft in Betonpflöcken stecken, könnten leicht verschoben oder ausgehebelt werden.

"Zur Sicherheitsfirma kommen viele Bauherren erst, wenn schon etwas passiert ist", sagt Shehu. Vielen fehle das Wissen über diverse Schutzmaßnahmen oder sie hätten Angst, dass diese die Baukosten noch weiter nach oben treiben. Doch dem sei nicht so, sagt Shehu. Eine mobile Live-Überwachung via Überwachungskameras (die bei der Umfrage nur bei acht Baustellen im Einsatz waren) würde Täter oftmals schon im Vorfeld abschrecken, sei über einen mobilen Turm innerhalb weniger Stunden installierbar, und die Kosten hielten sich mit 750 Euro pro Monat in Grenzen. Die Kameras können auch (gegen Aufpreis) mit Photovoltaikpaneelen ausgestattet werden, um auch bei Stromausfällen einen Schutz zu haben. Wird bei Einbrüchen live reagiert, also die Täter über Lautsprecher direkt angesprochen, sinke die Schadensquote um bis zu 98 Prozent.

Erreichen des Vor-Pandemie-Niveaus

Die Dunkelziffer bei Diebstählen auf Baustellen ist laut Klaus Autischer vom BKA wohl deutlich höher, weil bei weitem nicht jeder Fall zur Anzeige gebracht werde. Aufgrund der Vorfälle im ersten Quartal 2022 geht das BKA davon aus, dass die Fallquote bis Jahresende auf das Vor-Pandemie-Niveau von rund 4.000 Vorfällen steigen wird. Die gestohlenen Güter variierten, es zeige sich aber, dass tendenziell mehr hochwertige Güter entwendet würden.

2013 stieg die polizeilich erfasste Schadenssumme erstmals über zehn Millionen Euro. 2017 erreichte sie mit 18,2 Millionen Euro den bisherigen Höchststand. In den Folgejahren bewegte sich dieser Wert jeweils um 17 Millionen Euro und fiel im Pandemiejahr 2020 auf 11,6 Millionen Euro, wobei die Daten von 2020 nicht repräsentativ sind. Besonders für kleinere Bauunternehmen können solche Diebstähle wirtschaftlich harte Konsequenzen haben, wenn ein Zeitverlust entsteht oder das gestohlene Gerät nicht ausreichend versichert war.

Helfen würden auch Zutrittskontrollen für das Personal, sagt Shehu. Werde ein Bauarbeiter gekündigt, müsse er in den seltensten Fällen die Firmenkleidung zurückgeben. Auf Schwarzmärkten im Internet sei Baukleidung leicht erhältlich. Sich damit auf Baustellen einzuschleichen errege wenig Aufmerksamkeit. (Bettina Pfluger, 9.5.2022)