Auf dem Weg zum noblen Veranstaltungsort, der Wiener Hofburg, ist scheinbar noch alles wie vor der Pandemie. Vor dem Eingang posieren Fahrzeuge mit unterschiedlichen Antriebskonzepten unter der Haut. Fast ausschließlich Männer stehen in kleinen Grüppchen beisammen. Geraucht wird kaum mehr – im Gegensatz zu früher. In den letzten beiden Jahren hat einer der weltweit größten Kongresse zum Thema Fahrzeugantriebe nur online stattgefunden. Jetzt sollte wieder alles so sein wie früher.

Bernhard Geringer, Vorsitzender des Wiener Motorensymposiums: Technologieoffenheit ist heuer Programm.
Foto: Corn

Und tatsächlich, dem Prunk der Hofburg hat weder die Pandemie noch die Klimakrise etwas anhaben können. Das gibt den Teilnehmern Halt – zumindest in atmosphärischer Hinsicht. Denn inhaltlich leben wir in turbulenten Zeiten. Unter der Verpackung hat sich vieles ge ändert, noch viel mehr steht uns bevor. Mobilität ist nicht mehr zwangsweise mit Auto gleichzusetzen. Es gibt nur mehr Einzelne, die das nicht begriffen haben. Eine verschworene Gemeinschaft der Verbrennungsmotoren-Spezialisten hat sich aus den Notwendigkeiten der Zeit heraus in eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Antriebs- und Energieexperten gewandelt.

Achtzig Prozent elektrisch bis 2030?

Der Wandel, der einem der weltweit größten und in den letzten 100 Jahren wohl erfolgreichsten Industriezweige bevorsteht, lässt sich am besten anhand der Situation eines Getriebeherstellers demonstrieren. Man spricht gerne vom Ende des Verbrennungsmotors, aber da hängen noch weitere gewichtige Elemente dran.

Das Kerngeschäft von ZF, also der Zahnradfabrik Friedrichshafen, wird durch den Elektromotor praktisch überflüssig. Die E-Maschine liefert vom Stand weg bis zur Höchstgeschwindigkeit gleichmäßig Drehmoment, und das auch noch fast lautlos – ohne aufwendige Übersetzungsabstufungen.

Thomas Ulbrich, VW: Vorrang für batterieelektrische Autos.
Foto: VW

Wolf-Henning Schneider, Vorstandsvorsitzender ZF Group, beziffert den bisherigen Jahresumsatz mit Getrieben allein auf zehn Milliarden Euro. Das ist fast ein Drittel des Gesamtumsatzes des Technologiekonzerns. Die Entwicklung von Fahrzeuggetrieben wurde bereits eingestellt. Da sind Fantasie, Entscheidungsfreudigkeit und Tatkraft gleichermaßen gefragt. Der neue Schwerpunkt liegt in Elektroantriebspaketen und der Automatisierung des Autofahrens.

Otmar Bitsche, Direktor Elektroantriebe bei Porsche, kündigt an, dass 2030 achtzig Prozent der verkauften Porsches elektrisch angetrieben werden. Christian Mohrdieck, Geschäftsführer von Cellcentric, dem Brennstoffzellen-Joint-Venture von Daimler Truck AG und Volvo Group AB, betont: "Beim Lkw sind Lebensdaueranforderungen zu erfüllen, die weit jenseits von dem liegen, das wir vom Pkw her kennen. Und beim Lkw kommt noch ein Faktor hinzu: TCO, Total Cost of Qwnership. Nur wenn auch dort Parität mit heutigen Antrieben erreicht werden kann, werden sich Kunden für einen Brennstoffzellen-Antrieb entscheiden." Jürgen Schenk vom Strategieberater P3 Automotive: "Jeder der diskutierten Energieträger, Strom, Wasserstoff und regenerative Kraftstoffe, hat berechtigten Anteil an der Energiewende."

MAN arbeitet am Wasserstoff-Verbrennungsmotor genauso wie an der Brennstoffzelle.
Foto: MAN

Pro und Contra

Während Bitsche in E-Fuels eine gute Möglichkeit sieht, auch den Fahrzeugbestand rasch zu dekarbonisieren und die vielen alten Porsches umweltfreundlich in die Zukunft zu retten (70 Prozent aller jemals gebauten Porsches gibt es noch immer), stellen E-Fuels für den Technikvorstand von Volkswagen, Thomas Ulbrich, im Personenwagen längerfristig keine praktikable Lösung dar. Für einen Volumenhersteller sei der Bedarf an E-Fuels einfach zu hoch. Auch die Wasserstoff-Brennstoffzelle sieht er im Pkw nicht, auch nicht in großen SUVs.

VW hat sich offenbar klar für den batterieelektrischen Weg entschieden. Für Europa wird man Diesel noch bis 2030 bauen, Benziner etwas länger. Für China und USA prognostiziert Ulbrich für 2030 immerhin noch 50 Prozent Verbrenner. Am längsten sollen sie in Afrika und Indien gebaut werden. Neue Verbrennungsmotoren gibt es keine mehr.

Visionen wie der Mercedes EQXX wirken wie hochgerechnete Vergangenheit.
Foto: Mercedes-EQ

Was man noch aus den vielen Beiträgen des Motorensymposiums mitnehmen konnte: Die Herausforderungen der Autohersteller und ihrer Zulieferer sind multipler Art. So wie in den letzten 100 Jahren Autos konstruiert, gebaut, verkauft und auch geliebt wurden, geht es keinesfalls weiter.

Preise kaum ein Hindernis

Jeder einzelne Aspekt des Erfolgsthemas Automobil ist einem drastischen Wandel unterzogen. Die Strategien, mit der schwierigen Situation zurechtzukommen, sind recht unterschiedlich. Flucht nach vorne tritt als verbreitetes Phänomen auf. Manche Konzepte geraten eher zu technologischen Festungen als zu smarten schlanken Zukunftslösungen, siehe Mercedes EQXX, der eine spektakuläre Zukunft aber nach alten Denkmustern zeichnet: 1000 km Reichweite, cw-Wert von 0,17, Verbrauch 10 kWh auf 100 km.

Letztlich steht die Energiefrage im Zentrum. Wohin die Reise auch geht, ob Wasserstoff, E-Fuels oder Batteriebetrieb, die technischen Details in der Umsetzung erscheinen allesamt als lösbar. Auch Preise sind bei entsprechend hohen Stückzahlen kaum ein Hindernis. (Rudolf Skarics, 13.5.2022)