Noch vor zehn Jahren dachten g’standene Wienerinnen und Wiener: Ins Hotel gehen doch nur Touristen zum Trinken. Allerdings werkeln in den weit mehr als 200 Wiener Hotelbars mittlerweile einige der besten Barkeeperinnen und kreativsten Mixer des Landes. Noch weitere Argumente für das gepflegte Piperln abseits angestammter Beisln gesucht? Die Wiener Hotelbars verfügen nicht selten über außergewöhnliche Architektur oder eine besondere Lage auf aussichtsreichen Dächern.

Neueste Zahlen sprechen davon, dass mehr als die Hälfte der Besucher von Wiener Hotelbars keine Hausgäste sind. Manche Hotelbar in der Stadt bringt es gar auf einen externen Gästeanteil von über 80 Prozent. Beim Lokalaugenschein kann man vielerorts sogar den Eindruck gewinnen, die Wiener Strawberry-Daiquiri-Schlürferinnen und Negroni-Nipper brauchen unbedingt wieder neue Hotels für freie Plätze auf Barhockern. Das trifft sich gut. Gerade haben wieder ein paar neue aufgesperrt...

Serviervorschlag: So viele freie Sitzplätze gab's in der Istros Rooftop Bar nur am Tag vor der Eröffnung.
Foto: Radisson Red / Christoph Schubert

Istros Rooftop Bar

Die Dachterrasse des neuen Hotels Radisson Red wurde schon nach kurzer Zeit regelrecht von Locals belagert. Schuld daran sind wohl die ideale Lage an der U-Bahn-Station Schottenring und die ungezwungene Atmosphäre. So hockt man zwar direkt am Donaukanal wie der ganze Rest der Hipster-Schar, aber halt erhaben über anderen auf dem Rooftop.

Die Hotelbar des Radisson Red im achten Stock verfügt auch über eine regensichere Kanzellage (indoor) hoch über dem Donaukanal.
Foto: Radisson Red / Christoph Schubert

Die Cocktails und Longdrinks sind tadellos, das Ambiente ist luftig-loftig wie in einer Strandbar, die zufällig in den achten Stock verfrachtet wurde. Ideal, um sich an einem lauen Sommerabend den kleinen Hunger vor dem Abendessen anzuzüchten – denn Chips und Ähnliches gibt’s nicht zu den Drinks.

im Radisson Red Vienna, Obere Donaustraße 61, Herminengasse 2, 1020, Di–Sa 17–24 Uhr, +43-1-436 00 50, www.radissonhotels.com

Isabella Lombardo ist amtierende "Barfrau des Jahres" in der Lvdwig Bar des Hotel Beethoven.
Foto: Lvdwig Bar / Lukas_M_Hueller

Lvdwig Bar

Isabella Lombardo ist nicht nur die amtierende Barfrau des Jahres, sondern auch eine wunderbare Reiseleiterin durch ihr Reich spannender Drinks. In der Bar des Hotels Beethoven nimmt sie einen mit auf eine "Reise durch Wien in sechs Schlucken" und versucht dabei die Geschmacksnerven ihrer Gäste zu schulen.

Auch in dieser Hotelbar heißt es immer öfter: "Schani trag den Garten raus!"
Foto: Lvdwig Bar / Colin Cyruz

Wer weniger durstig ist, kann sich auch an einem geschmacklichen Kurztrip zu Rum, Tamarinde und Tonkabohne in Form des Signature-Drinks "Ludwig" versuchen. Die ganze Professionalität der Lvdwig-Bar findet man nun auch draußen in einem Mini-Schanigarten in der ruhigen Papagenogasse.

im Hotel Beethoven, Papagenogasse 6, 1060, Mo–Do 17–1 Uhr, Fr–Sa 17–2 Uhr, +43-1-587 44 82-444, www.lvdwig.bar

Das Pastamara im Ritz-Carlton ist Bar und Restaurant. Die Auswahl an Antipasti und sizilianischem Streetfood zu einem wunderbaren Aperitivo machen es unwahrscheinlich, dass man noch die drei restlichen Hotelbars am selben Abend zu Gesicht bekommt.
Foto: Ritz-Carlton Vienna / Klaus Lorke No Limit Fotodesign

Pastamara

Vier Bars "unter einem Dach" bietet das Ritz-Carlton am Schubertring. Wobei die Rooftop Bar (Foto) sinnigerweise auf dem Dach gelegen ist (Ausblick!) und die D-Bar als eigenes Universum gezählt werden muss. Letztere ist mehrfach zur besten Hotelbar des Landes gekürt worden.

Die Rooftop Bar des Ritz-Carlton nach der Sperrstund'. Für einen freien Platz sollte man unbedingt reservieren.
Foto: Ritz-Carlton Vienna / Matthew Shaw

Wer dieser Tage für eine hausinterne Lokalrunde vorbeischaut, sollte aber nicht denselben Fehler machen wie der Autor. Es gibt im Hotel eine neue, geheime Bar im Stil eines Speakeasys aus den Zeiten der Prohibition, für die man ein Passwort benötigt. Dieses lasse sich bei einem ersten Drink im Erdgeschoß erfragen, hieß es. Dass der versteckte Ort dann gar nicht mehr (auf)gesucht wurde, liegt am italienischen Ritual des Aperitivo, das in der Pastamara-Bar zelebriert wird. Allzu wunderbar komponiert ist der House Negroni dort, und die Antipasti-Platte kommt zweistöckig daher. Bei superfeinem sizilianischem Streetfood danach bleibt man endgültig in der Bar des Pastamara picken.

im Ritz-Carlton, Schubertring 5/7, 1010, täglich 10–23 Uhr, Aperitivo 17–19 Uhr, +43-1-31 18 81 50, www.pastamara.com

Melanie Castillo betreibt nun auch einen Eissalon in der Margaretenstraße. Die Drinks, die dort serviert werden, schmecken eindeutig nach erfahrener Bartenderei.
Foto: Castillo's / Martin Steiger

Castillo’s Eis & Drinks

Das Barfly’s galt Eingeborenen im Wien der 1990er-Jahre als einer der ersten Gründe überhaupt, eine Hotelbar zu betreten. Aus dem Hotel Fürst Metternich ist das Boutiquehotel Josefine geworden, und die Hotelbar wurde für die 2020er bildschön auf 1920er getrimmt. Nun gibt es trotzdem noch Raunzer, die zwar auf Ratpack in einer schummrigen Bar machen wollen, aber gleichzeitig bekritteln, dann beim Trinken nicht zu bräunen. Selbst ihnen macht Barchefin Melanie Costello ein verlockendes Angebot.

Die rundum erneuerte Hotelbarlegende Barfly's im rundum neuen Hotel Josefine.
Foto: Barfly's / Martin Steiger

In ihrem neuen Eissalon in der Margaretenstraße werden abends Sommerklassiker der Barfly’s-Karte und Eiscocktails gemixt. Das Port Tonic (Italicus, Martini und Tonic) schmeckt im Schanigarten auch schon nachmittags um halb fünf.

Castillo’s, Margaretenstraße 42, 1040, täglich 11–23 Uhr, +43-1-586 08 25, barflys.at

Schanghai im Stuwerviertel: Die Zazatam Bar schmeckt nach verruchten Zwanzigerjahren und normannischen Äpfeln.
Foto: Zazatam Bar / Colin Cyruz

Zazatam Bar

Das Stuwerviertel macht neuerdings auf Schanghai der 1920er-Jahre. Oder gibt es eine andere Erklärung für die Seidentapeten mit üppig-asiatischem Dekor im Untergeschoß des französisch angehauchten Hotels Zola in der Wiener Leopoldstadt? Dort ist die Wirkstätte von Barchef Raphaël Peyrot, der aus Lyon kommt und unter anderem mit Cocktails wie dem Pomme Pomme die herrlich süffige Normandie (Calvados und Cidre) ins Glas zaubert.

Zwei Tischlein und wenige Plätze am Tresen hat dieses dunkle Separee mit House-Musik in selbstbewusster Lautstärke. Wer nur zum Trinken da ist, kann sich etwa die Popcorn Prawns (knusprige Garnelen mit subtiler Schärfe) vom Restaurant kommen lassen. Dorthin wechseln wohl die meisten Gäste nach dem Apéro, um weitere Gänge in dem ehemaligen k. u. k. Offizierskasino zu erkunden, das auch über einen Gastgarten verfügt.

im Hotel Zola, Hillerstraße 11, 1020, Mi–Sa 17–2 Uhr, +43-670-602 29 97, zazatam.com

(Sascha Aumüller, 10.5.2022)