EU-Ratspräsident Charles Michel und der ukrainische Premier Denys Schmyhal harren mit einem Soldaten während des Luftalarms an einem sicheren Ort aus.

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Pomp, Panzer und harte Worte in Moskau – und in der Ukraine ein Kontrapunkt. Kiews leere Innenstadt und Panzersperren auf den Straßen dominieren das Video, das Präsident Wolodymyr Selenskyj zum 9. Mai veröffentlicht hat, an dem auch in der Ukraine traditionell des Sieges der Roten Armee über die Nazis 1945 gedacht wird. Nur einmal sind in dem Video Menschenmassen zu sehen: in einer Rückblende auf das Jahr 2021.

Bald schon, so Selenskyj, werde es in der Ukraine "zwei Tage des Sieges" geben: Auch die Niederlage Moskaus werde man dereinst mit einer Parade begehen. Die Ukraine werde aber auch nicht zulassen, dass Russland den Kampf gegen den Nationalsozialismus für sich vereinnahme. Moskau behauptet ja, in der Ukraine gegen eine "Nazi-Regierung" zu kämpfen – während auch Kiew seinerseits den russischen Angriff schon mehrfach mit dem Vorgehen der Nazis verglichen hatte. So auch Selenskyj: Millionen Ukrainer hätten im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis gekämpft, sagte er. "Wir haben damals gewonnen. Und wir werden auch jetzt siegen."

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Vorerst aber läuft der Krieg weiter: In der südukrainischen Hafenstadt Odessa fand ein Auftritt von EU-Ratspräsident Charles Michel mit dem ukrainischen Premier Denys Schmyhal ein jähes Ende. Alle Teilnehmenden musste wegen Luftalarms Schutz suchen, nachdem die ukrainische Luftabwehr Geschosse geortet hatte. Die Raketen schlugen in der Region ein, Michel und Schmyhal blieben unversehrt.

Am Abend dann feuerte die russische Luftwaffe – so die Darstellung des ukrainischen Militärs – mehrere Hyperschallraketen vom Typ Kinschal auf die Hafenstadt. Dabei seien mehrere "touristische Objekte" getroffen und mindestens fünf Gebäude zerstört worden, berichtete die "Ukrajinska Prawda". Auch ein Einkaufszentrum sei beschädigt, berichtete eine regionale Online-Seite. Zwei Menschen seien verletzt worden. Die Suche nach weiteren Opfern unter den Trümmern dauere an.

Michel in Deckung

Michel selbst, der auf Twitter Bilder seiner Reise postete, gab den Wunsch, "den Europatag in Odessa zu feiern", als Anlass seiner Visite an. Tatsächlich informierte sich der Ratspräsident aber auch über den Fortgang des Krieges. Er traf neben Schmyhal unter anderem den Chef der ukrainischen Marine, Vizeadmiral Oleksij Nejischpapa. Zudem informierte er sich über die russische Blockade des ukrainischen Schwarzmeerhafens, wo zahlreiche Getreidelieferungen, die in normaleren Zeiten etwa nach Nordafrika oder in den Nahen Osten gehen sollten, vorerst auf Halde liegen.

Trotz der heftigen Kämpfe, die vor allem in den Gebieten des Donbass auch Montag weitergingen, wird aber auch immer noch verhandelt. Das jedenfalls sagte Russlands Unterhändler Wladimir Medinsky der Staatsagentur Interfax. Die Bedingungen für neue persönliche Treffen würden derzeit aber nicht bestehen, so Medinsky weiter. Aus Kiew gab es keinen Kommentar.

Für Empörung sorgte in Moskau indes ein Angriff von Demonstranten auf den russischen Botschafter Sergej Andrejew in Warschau. Er wurde beim Besuch eines sowjetischen Soldatenfriedhofs mit roter Farbe übergossen. Andrejew blieb bei der Attacke unverletzt. (mesc, lew, 10.5.2022)