Der Bär, der an der Börse für fallende Kurse steht, hat das Geschehen an den Finanzmärkten derzeit fest im Griff.

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An der Börse wird bekanntlich die Zukunft gehandelt – und die sieht derzeit keineswegs rosig aus. Das zeigt nicht nur die schwache Tendenz der Aktienmärkte, auch eine Umfrage unter 1267 Personen mit Kapitalmarktexpertise zeichnet ein ziemlich düsteres Bild: Das von der Investment-Beratungsfirma Sentix zu Wochenbeginn veröffentlichte Konjunkturbarometer fiel im Mai den dritten Monat in Folge – und das wesentlich stärker als erwartet.

Warnzeichen für Rezession

"Die ökonomische Dimension des Ukraine-Konflikts wird immer prekärer", sagt Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner über den Rückgang des Sentix-Index auf minus 22,6 Punkte – den tiefsten Wert seit Juni 2020, der ein klares Warnzeichen für eine Rezession darstelle. Schlechter wird nicht nur die Lage beurteilt, sondern auch die Aussichten. Diese sind sogar auf das tiefste Niveau seit Dezember 2008, also knapp nach der Pleite von Lehman Brothers, die in der Weltfinanzkrise mündete, gesunken.

Epizentrum des erwarteten Abschwungs ist dem Index zufolge Deutschland, wo die Konjunkturerwartungen mit minus 32,8 Punkten auf ein Rekordtief gesunken sind, was sogar den Einbruch während der Finanzkrise 2008 in den Schatten stellt. "Mit anderen Worten: Es kommt knüppeldick", stellt Hübner klar.

"Stagflationäre Tendenzen"

Von "stagflationären Tendenzen" in der Eurozone, also wenig Wachstum bei hoher Inflation, berichtet der finnische Notenbankchef Oli Rehn. Die langen Schatten der Corona-Krise und die russische Aggression gegen die Ukraine belasten ihm zufolge die europäische Wirtschaft. Dennoch spricht sich das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) klar für eine baldige Zinserhöhung aus: "Es ist geboten, im dritten Quartal, wohl im Juli, den Leitzins anzuheben."

"Die Energiepreise sind schon hoch, jetzt werden auch andere Rohstoffe teurer", sagt Rehn. Die EZB müsse handeln, denn: "Wir sehen Anzeichen für Zweitrundeneffekte. Wir müssen deshalb verhindern, dass sich die Inflationserwartungen verfestigen." Deshalb sei es wichtig, ein Signal zu setzen.

Weiter normalisieren

"Und wir werden die Geldpolitik weiter normalisieren, vorausgesetzt, der russische Krieg in der Ukraine wirft die europäische Wirtschaft nicht wieder zurück", ergänzt Rehn. Genau darauf deuten die aktuellen Sentix-Umfragedaten allerdings hin. Dabei sind darin die Verschärfungen in China noch gar nicht enthalten, wo die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt die Null-Covid-Strategie der Regierung immer stärker zu spüren bekommt. Die Lockdowns in Peking und Schanghai belasten die Konjunktur ebenso wie den weltweiten Handel. (Alexander Hahn, 9.5.2021)