Der SPD-Politiker Thomas Kutschaty will nächster Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen werden und zeigt sich mit Kanzler Olaf Scholz auf dem Plakat.

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Von 27,2 auf nur noch 16 Prozent. So steil wie bei den Sozialdemokraten war die Talfahrt am Sonntag in Schleswig-Holstein bei keiner anderen Partei. Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller landete auf einem historischen Tiefstwert. Noch nie seit dem Jahr 1947 hat die SPD so schlecht abgeschnitten.

Den meisten Wählerinnen und Wählern war Losse-Müller unbekannt, Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hingegen konnte mit hohen Beliebtheitswerten glänzen. Auch mit Günthers Jamaikakoalition aus CDU, Grünen und FDP war die Mehrheit zufrieden.

Zum Unglück in Schleswig-Holstein kam für die SPD im Norden auch kein Glück aus Berlin dazu. Laut einer Infratest-Dimap-Umfrage für die ARD meinten vor der Wahl nur 25 Prozent der Befragten, Kanzler Olaf Scholz sei eine Unterstützung für die Landes-SPD gewesen.

Die SPD-Spitze bemühte sich nach dem Debakel, nur ja keine schlechte Stimmung aufkommen zu lassen. Denn am kommenden Sonntag steht schon die nächste Wahl an: jene im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen (18 Millionen Einwohner).

Dort regiert Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) mit der FDP in einer schwarz-gelben Koalition. Umfragen sagen der CDU ein Ergebnis um die 30 Prozent voraus. Doch die Sozialdemokraten liegen nur zwei Punkte dahinter, also im Bereich der Fehlerquote.

Völlig andere Ausgangslage

"In Nordrhein-Westfalen ist die Ausgangslage eine völlig andere. Ich bin mir auch recht sicher, dass am Ende Thomas Kutschaty der nächste Ministerpräsident wird", sagte SPD-Bundesparteichef Lars Klingbeil am Montag nach den Sitzungen der Gremien in Berlin. Er pries auch die guten Verbindungen des nordrhein-westfälischen SPD-Spitzenkandidaten Kutschaty nach Berlin. Der, so Klingbeil, habe "direkten Zugang zum Kanzler", was Nordrhein-Westfalen sehr helfen werde.

"Natürlich ist das Ergebnis bitter für die SPD", räumte auch SPD-Co-Chefin Saskia Esken ein. Aber jetzt wolle man nicht länger auf diesen Misserfolg zurückblicken, sondern "die volle Aufmerksamkeit" auf Nordrhein-Westfalen richten.

Schwung hingegen verspürt die CDU nach dem Wahltriumph von Schleswig-Holstein. Ministerpräsident Günther und seine Partei konnten sich von 32 auf 43,4 Prozent steigern und schrammten nur knapp an der absoluten Mehrheit vorbei.

"Das ist Rückenwind für Nordrhein-Westfalen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Dort habe sich in den vergangenen Tagen die Stimmung "kontinuierlich verbessert". Günther kann sich den Koalitionspartner nun aussuchen. Zum Regieren braucht er kein Dreierbündnis mehr, sondern nur noch einen Partner. "Ich habe vor der Wahl gesagt, dass ich am liebsten in Jamaika weiterregiere. Und deswegen ist es für mich auch vollkommen klar, dass ich auch nach der Wahl jetzt klar sage, dass ich mit Grünen und der FDP Gespräche führen werde", erklärte er.

Tipp von Habeck

Eine Empfehlung für ein schwarz-grünes Bündnis sprach Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck aus, der bis zum Wechsel nach Berlin im Jahr 2018 in Günthers Kabinett Landesminister war: "Ich glaube, Daniel Günther ist schlau genug, zu sehen, wenn zwei Parteien die Wahl gewinnen, was daraus dann zu folgen hat."

Zugelegt hat am Sonntag nicht nur die CDU, auch die Grünen konnten sich deutlich verbessern – und zwar um 5,4 Prozentpunkte. Die FDP hingegen verlor 5,1 Punkte, sieht sich für ein mögliches Zweierbündnis aber besser geeignet als die Grünen. Denn es gebe, so FDP-Spitzenkandidat Bernd Buchholz, "mehr gemeinsame Schnittmengen".

Als historisch kann die Landtagswahl von Schleswig-Holstein auch für die AfD verbucht werden. Sie scheiterte mit 4,4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde und verpasste den Wiedereinzug in den Landtag.

Es ist das erste Mal seit ihrer Gründung im Jahr 2013, dass die AfD wieder aus einem Landtag hinausfliegt. AfD-Chef Tino Chrupalla sprach von einem "kleinen Tiefschlag". Seine Erklärung für das schlechte Abschneiden in Schleswig-Holstein lautet so: "Hier war es für uns schwierig, Wahlkampf zu betreiben. Die Menschen sind hier relativ zufrieden." (Birgit Baumann aus Berlin, 9.5.2022)