Die Sammler, die haben sich schon gefreut. Als vor zwei Wochen bekannt wurde, dass das namhafte Fünf-Sterne-Hotel Triest in Wien-Wieden am Dienstag, zusperrt, da rechneten sich manche Chancen aus, ein Stück davon zu ergattern.

"Einer hat angerufen und wollte einen Barhocker, ein anderer Türschnallen", sagt Hotelsprecher Andreas Zenker im STANDARD-Gespräch. Die Interessenten wurden enttäuscht: Ein Flohmarkt, auf dem das von Designer Terence Conran entworfene Interieur verkauft wird, ist nicht geplant.

Das Ende einer Ära: Der Vorläufer des Hotel Triest waren eine Postkutschen-Haltestelle und ein Gasthof.
Foto: Heribert Corn

Das ist aber so ziemlich das einzige Definitivum, von dem Zenker erzählen kann. Wie es in der Wiedner Hauptstraße 12 sonst weitergeht, ist offen. Büros, Wohnungen, ein Seniorenheim – all das seien denkbare Nachnutzungen, sagt er.

Auch dass dort irgendwann wieder ein Hotel aufsperre, sei möglich: "Dem Eigentümer ist an diesem Standort bereits einmal etwas komplett Neues eingefallen. Vielleicht geschieht das wieder."

Robbie Williams ließ Hotelbar nachbauen

Dieses "Neue" – gemeint ist damit das Konzept Designhotel – hat das Triest zu einer Institution gemacht. Einer, dank derer Wien zumindest ab und zu eine richtige Weltstadt sein konnte. Immerhin stiegen in dem Haus schon internationale Stars wie Robbie Williams, Lady Gaga oder Whitney Houston ab.

Ein Grund dafür: die zum Hotel gehörende, ebenso winzige wie legendäre Silver Bar mit ihrem noch legendäreren Chef Djibril Keita. 2004 wurde Keita für seine Verdienste um die Cocktailkultur sogar mit dem Silbernen Ehrenzeichen des Landes Wien geehrt. Robbie Williams soll Keita und die Silver Bar so sehr geliebt haben, dass er sie sogar bei seinem Konzert im Happel-Stadion nachbauen ließ.

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Djibril Keita, Chef der Silver Bar, wurde für seine Verdienste um die Cocktailkultur sogar mit dem Silbernen Ehrenzeichen des Landes Wien geehrt.
Foto: Picturedesk/Robert Newald

In den kommenden Wochen steht im Triest statt Glamour das große Aufräumen an. Die Zimmer werden "eingewintert", wie es Zenker formuliert, übrig gebliebene Lebensmittel gespendet. "Man kann ja nicht einfach Strom und Wasser abdrehen und gehen."

Einsame letzte Betriebstage

64 Hotelangestellte verlieren ihre Jobs. Der Mitarbeiterstand in der Tourismusbranche gibt Hoffnung, dass sie bald andernorts unterkommen. Im März lag er 2,6 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau (März 2019), einige Tausend Kräfte dürfte allein die Hotellerie verloren haben. Zenker gibt sich zuversichtlich: Zwei HR-Chefs hätten bereits Interesse an den Triest-Leuten bekundet.

Das Risiko, dass sich das Personal öffentlich beklagen könnte, möchte die List Group, ihres Zeichens Eigentümerin des Hotels, offenbar dennoch nicht eingehen. Der Presse wurde seit 27. April, als das Aus für das Hotel bekannt wurde, kein Einlass mehr gewährt.

Die beiden zum Hotel gehörenden Restaurants und die Bar wurden am selben Tag zugesperrt, Zimmerbuchungen waren seither nicht mehr möglich. Lediglich Gäste, die bereits zuvor reserviert hatten, wurden empfangen – in den vergangenen Tagen waren nur noch 20 bis 30 der rund 120 Zimmer belegt. Ein tristes Ende.

Zu wenige Betuchte in den Betten

Erklärt wird die Schließung vor allem mit der Pandemie. Besonders bitter daran: Im Mai 2020 inszenierte die Wirtschaftskammer ausgerechnet im Triest die Auferstehung der Hotellerie nach dem Lockdown. Zu Corona sei aber nun Russlands Krieg gegen die Ukraine gekommen. "Uns fehlen die betuchten Stadttouristen", sagt Zenker.

Das Hotel wurde von der Türklinke bis zum Bettgestell von Terence Conran designt.
Foto: Sabine Klimpt

Das Triest ist zwar das prominenteste, aber nicht das erste Hotel, das zusperrt. Laut Beherbergungsstatistik wurden zu Vorjahresende 347 Betriebe verzeichnet, das waren 64 Hotels oder 16 Prozent weniger als 2020. Getroffen hat es vor allem kleine Häuser. Das zeigt sich daran, dass die Zahl der Betten im selben Zeitraum weniger stark – konkret um acht Prozent auf 63.363 Betten – gesunken ist.

Beim Wien-Tourismus geht man davon aus, dass sich der Trend bald ändert. Viele neue Hotels seien geplant, Ende 2023 werde Wien 69.995 Betten aufweisen und damit den Prä-Corona-Stand toppen, heißt es.

In der Wirtschaftskammer zeigt man sich etwas weniger euphorisch. "Das Triest hinterlässt eine große Lücke in der Branche", sagt Dominic Schmid, Obmann der Hoteliers. "Voraussichtlich werden noch weitere Betriebe zusperren." Die aktuelle Teuerung fordere die Hoteliers enorm heraus.

Teure Sanierung nötig

Dass es nun ausgerechnet das renommierte Designhotel traf, hat neben den globalen Krisen auch hauseigene Gründe. 2018 wurde das Stammhaus in der Wiedner Hauptstraße um das Gebäude der ehemaligen Österreich-Werbung beim Rilkeplatz erweitert – um 50 Zimmer, ein Bistro und einen Feinkostladen . Mit den gegenwärtigen Verlusten sei diese Investition nicht hereinzuholen, sagt Hotelsprecher Zenker.

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Star-Spotting: Kameraleute warten im Jahr 2006 auf die Ankunft von Robbie Williams.
Foto: Picturedesk/Alexander Tuma

Dazu kam der Umstand, dass im zuletzt 1995 renovierten Altbau Sanierungen anstehen: Bei einem Objekt vom Designer wahrlich kein günstiges Unterfangen.

Übrigens: Wie viele Jahre Hotelgeschichte an dem Standort nun zu Ende gehen, ist nicht exakt überliefert. Ab 1801 ist dort ein Gasthof dokumentiert, der später ein Hotel wurde. Vorläufer war eine Postkutschen-Haltestelle. Somit war diese Adresse schon einst Verbindung zur weiten Welt: Die Wagen fuhren in die k. u. k. Hafenmetropole Triest, eines der wichtigsten Handelszentren der Monarchie. (Stefanie Rachbauer, 10.5.2022)