Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im österreichischen Nationalrat werden nicht umhin kommen, sich zumindest mit den Forderungen des Antikorruptionsvolksbegehrens auseinanderzusetzen. Noch mehr Stimmen gab es für den Tierschutz.

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47 Volksbegehren hat der Nationalrat seit der Schaffung dieses direktdemokratischen Instruments im Jahr 1964 debattiert. Demnächst kommt eine nicht unbeträchtliche Zahl dazu. Denn am Montag ging die Eintragungswoche für sieben Volksbegehren zu Ende – und gleich sechs davon schafften mehr als 100.000 Unterschriften, die für eine Behandlung im Plenum nötig sind. An der Spitze lagen jenes gegen Tiertransporte und das Antikorruptionsvolksbegehren.

Antikorruptionsexperte Martin Kreutner hatte sich bereits am Freitag Hoffnungen gemacht, dass das "Rechtsstaat- und Antikorruptionsvolksbegehren" die 200.000er-Marke knacken könnte. Am Ende waren es sogar noch deutlich mehr. Zu den schon bestehenden 80.400 Unterstützungserklärungen kamen noch 227.229 hinzu, insgesamt also 307.629. Das verwundert nicht: Die Initiative, die 72 Forderungen umfasst und infolge des Ibiza-U-Ausschusses gestartet wurde, widmet sich dem aktuell wohl brisantesten Thema.

Gegen Tiertransporte

Die meisten Unterschriften erzielte das Volksbegehren "Stoppt Lebendtier-Transportqual" von Niederösterreichs Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) mit 426.938. Deutlich über 100.000 kamen auch die Anti-Impfpflicht-Begehren "Impfpflichtabstimmung: Nein respektieren" von der "Initiative Gemeinsam entscheiden" sowie "Nein zur Impfpflicht" von Aktivist Robert Marschall. Beide erzielten über 246.000 Unterschriften.

"Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen!", das von diversen NGOs getragen wurde, unterstützten 168.981 Menschen. Das zuletzt vielbeworbene "Mental-Health-Jugendvolksbegehren" aus dem Umfeld der ÖVP-nahen Schülerunion erhielt 138.131 Unterschriften und muss damit ebenfalls vom Nationalrat erörtert werden.

Nicht über 100.000 schaffte es "Arbeitslosengeld rauf!". Mit 86.217 Unterschriften erzielte aber auch diese von mehreren NGOs unterstützte Initiative ein achtbares Ergebnis.

Die Möglichkeit, Volksbegehren zu unterschreiben, ist mit dem Ende der Eintragungswoche für dieses Jahr lange nicht vorbei. Im Gegenteil: 2022 können die Österreicherinnen und Österreicher so viele Volksbegehren in einem Jahr unterstützen wie noch nie zuvor. Der bisherige Rekord wurde 2021 mit sieben erreicht.

Dieser wird heuer deutlich überschritten. Zwischen 20. und 27. Juni werden "Keine Impfpflicht" – getragen von den Wiener Rechtsanwälten Florian Höllwarth und Alexander Scheer – und "Rücktritt Bundesregierung" der oberösterreichischen Maßnahmenkritiker Elias Mühlbauer und Martin Kaser zur Unterschrift aufliegen. Neun Volksbegehren sind damit für heuer fix.

Zwei weitere Initiativen gegen Corona-Maßnahmen haben beim Innenministerium bereits einen Einleitungsantrag deponiert. Dafür müssen die Initiierenden im Vorfeld mindestens 8401 Unterstützungserklärungen sammeln, diese zählen dann zum Endergebnis dazu. Wann "Covid-Maßnahmen abschaffen" und "Wiedergutmachung der Covid-19-Maßnahmen" unterschrieben werden können, steht noch nicht fest. Das gilt auch für die antirassistische Initiative "Black Voices".

Unterstützung vereinfacht

Zu erklären ist dieser Boom der Volksbegehren mit geänderten Rahmenbedingungen. Das Unterschriftensammeln wurde 2018 wesentlich erleichtert. Mittlerweile können Begehren auch online (mittels Handysignatur) und nicht mehr nur am Hauptwohnsitz, sondern auf jedem Gemeindeamt unterstützt werden.

Auffällig ist, dass Volksbegehren im Allgemeinen früher erfolgreicher waren. Von den 25 "jüngeren" Volksbegehren schafften es bisher nur zwölf über die 100.000er-Hürde – ein Wert, der sich nun allerdings gleich um mehr als die Hälfte erhöht In den 53 Jahren von der Einführung 1964 bis 2017 gab es in Summe zwar "nur" 39 Begehren, aber bis auf vier kamen alle ins Parlament – oft mit Unterstützung der großen Parteien. (Stefanie Rachbauer, Manuel Escher, 9.5.2022)