Andy Warhols "Shot Sage Blue Marilyn" (1964), für die Galerist Larry Gagosian 195 Millionen Dollar (inklusive Aufgeld) bewilligte.

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Die Liste der teuersten Kunstwerke der Welt hat in der Nacht auf Dienstag einen Neuzugang bekommen, der zugleich für Nervosität in den Chefetagen der Auktionsgiganten sorgt. Andy Warhols "Shot Sage Blue Marilyn" wechselte bei Christie's in New York für 195 Millionen US-Dollar den Besitzer. Das markiert einen Weltrekord für ein Kunstwerk des 20. Jahrhunderts und ebenso den höchsten je bei einer Versteigerung für eine Arbeit Warhols erteilten Zuschlag.

Ein beachtliches Ergebnis, das dem Ikonenstatus dieses 1964 in fünf Farbvariationen geschaffenen Porträts der Schauspielerin geschuldet ist, das als Sinnbild für den Glamour Hollywoods die Pop-Ära prägte und bis heute repräsentiert.

"Neben Botticellis 'Geburt der Venus', da Vincis 'Mona Lisa' und Picassos 'Les Demoiselle d'Avignon' ist Warhols 'Marilyn' eines der größten Gemälde aller Zeiten" und die salbeiblaue Fassung "der absolute Höhepunkt des amerikanischen Pop", schwärmte Alex Rotter, Christie's-Chairman der Sparte, im Vorfeld.

Kursrutsch dämpft Erwartungen

Was dem Österreicher und seinen Kollegen nun dennoch die Laune verderben dürfte? Man hatte ein deutlich höheres Resultat erwartet, insgeheim sogar mit einem Zuschlag in einer Größenordnung der gültigen Bestmarke spekuliert: den rund 450 Millionen US-Dollar, die man 2017 für den umstrittenen "Salvator Mundi" aus dem Umfeld Leonardo da Vincis erzielte.

Ein preisliches Potenzial, das dieser "Marilyn" auch von einigen namhaften Experten außerhalb der Christie's-Bubble zugetraut wurde. Denn Kunden, die für eine solche Trophäe entsprechendes Kapital springen lassen, gäbe es zuhauf. In der Realität könnte die Talfahrt an den US-Börsen am Montag eine größere Rolle gespielt haben, als der internationalen Auktionsbranche derzeit lieb sein kann.

In New York kommen in den nächsten beiden Wochen Kunstwerke auf den Markt, die in Summe Milliarden einspielen sollten. Zum Auftakt bescherten enttäuschende Konjunkturzahlen aus China und die immer prekärer wirkende ökonomische Dimension des Ukraine-Konflikts in Kombination mit der Furcht vor schnell steigenden Zinsen jedoch den stärksten Kursrutsch seit Beginn der Corona-Pandemie.

Verkaufserlös für Kinderprojekte

Die Missstimmung am Kapitalmarkt übertrug sich in der Nacht auf Dienstag jedenfalls auch auf den Auktionssaal von Christie's. Im Fall der "Marilyn" sprang Galerist Larry Gagosian in die Bresche, wie "The Art Newspaper" berichtet – ob für sein Warenlager oder im Auftrag eines Sammlers oder Investors, wird sich weisen.

Das Bild war zuletzt in der Sammlung der Geschwister Thomas und Doris Ammann beheimatet, die nun zur Versteigerung gelangt. Der Züricher Kunsthändler war bereits 1993 verstorben, seither führte seine Schwester bis zu ihrem Tod im März 2021 die Geschäfte. Der Erlös aus dem Verkauf kommt einer Stiftung zugute, die Gesundheits- und Bildungsprogramme für Kinder finanziert. Die am Montag verkauften Kunstwerke sollten, der Kalkulation von Christie's zufolge, an die 420 Millionen Dollar einspielen. Am Ende notierte man 317 Millionen Dollar inklusive Aufgeld. (Olga Kronsteiner, 10.5.2022)