Franz Dinda als Robert Ehrenberg in der dritten Staffel von "Das Boot".

Foto: Sky Deutschland/Bavaria Fiction GmbH/Stephan Rabold

Ein Nebenschauplatz der dritten Staffel ist Lissabon mit Anna Schudt (links) und Joana Ribeiro.

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Tom Wlaschiha untersucht als Hagen Foster einen Mord.

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Verschlossen, wortkarg, in sich zurückgezogen: In der dritten Staffel von "Das Boot" ist Franz Dinda dem Originalkapitän Jürgen Prochnow ähnlicher denn je. Für den Schauspieler, der ab Samstag in zehn neuen Folgen bei Sky als "KaLeu" Robert Ehrenberg in den U-Boot-Krieg der deutschen Wehrmacht zieht, ist das eine logische Entwicklung.

Sky Deutschland

STANDARD: Ehrenberg zieht sich immer mehr zurück, wird immer mehr der grimmige Seebär. Er hat fast ein bisschen Ähnlichkeit mit dem Kapitän vom "Ur"-Boot, Jürgen Prochnow. Spielte er in Ihren Überlegungen zur Figur eine Rolle?

Dinda: Nein, die Figur ist aus sich heraus entstanden. Und mit der Frage, die über allem steht: Was ist authentisch? Was wird der Figur gerecht? Umso schöner, dass sich in der dritten Staffel ein Hoffnungsschimmer auftut und ihm in Aussicht stellt, trotz seiner fürchterlichen Geschichte auf ein Leben danach hoffen zu dürfen. Spannend daran ist, dass er in diese Geschichte widerwillig hereinrutscht. Ein Ehrenberg auf einem weißen Schimmel in Folge eins, hätte das Publikum vor den Kopf gestoßen (lacht). Deswegen ist es gut, dass wir das so gestaltet haben, wie es jetzt in der dritten Staffel passiert.

STANDARD: Haben Sie gehofft, dass sich die Figur so entwickeln würde?

Dinda: Sagen wir so: Es war eine Option, die ich für möglich hielt und die für mich sehr ok war, weil diese neue Perspektive auch mich überraschte. Nichts ist langweiliger als ein Schauspieler, der in einem Format Dienst nach Vorschrift macht. Figuren müssen sich weiter gestalten. Ja, es muss eine Erweiterung geben, es muss neue Herausforderungen geben. Ich bin ja Schauspieler und noch nicht im Rentenalter.

STANDARD: Gab es wieder Vorbereitungen? Jürgen Weber scheint wieder als Berater auf.

Dinda: Jürgen Weber atmet und lebt das Thema, und wir sind gut beraten, uns von solchen Personen auch Möglichkeiten an die Hand geben zu lassen, einfach um die Geschichte maximal authentisch erzählen zu können.

STANDARD: Wie laufen solche Beratungen ab – Frontalunterricht oder freies Fragen?

Dinda: Sowohl als auch. Frontalunterricht gibt es immer am Beginn einer Staffel, da wir ja wechselndes Personal haben. Das heißt, es gibt immer noch genügend Leute, die noch nie von der Materie gehört haben. Beim Dreh tauchen gibt es tagtäglich Situationen, bei denen Fragen auftauchen: Wie gehen wir künstlerisch damit um? Deshalb ist Jürgen Weber immer vor Ort, und man kann ihm gar nicht hoch genug anrechnen, was er für die Serie leistet. Er ist der gute Geist, der weit mehr als Dienst nach Vorschrift macht.

STANDARD: Hans Steinbichler und Dennis Gansel teilten sich die Regie, anders als in der ersten Staffel, die Andreas Prochaska noch alleine stemmte. Wie ging es Ihnen beim Wechsel?

Dinda: Dass sich zwei Regisseure die Arbeit teilen, hatten wir ja nun schon seit Staffel zwei. Das war nichts Neues für mich und liegt auch auf der Hand, wenn man einfach die Fülle der Entscheidungen und auch der Aufgaben absehen kann, die ein einzelner Regisseur zu leisten hat. Was sich Andreas Prochaska in der ersten Staffel alleine geleistet hat, war beeindruckend übermenschlich. Weshalb es sicherlich gut ist, dass sich das nun zwei Menschen aufteilen, weil für einen ist das meines Erachtens zu viel.

STANDARD: Ihr Vorgänger als "KaLeu" Clemens Schick sagte: Es ging physisch an seine Grenzen.

Dinda: Über so einen langen Zeitraum in so einem Rhythmus zu arbeiten, verlangt einem einiges ab. Wir spazieren ja nicht gemeinsam durch den Wald und zitieren Goethe, sondern spielen körperlich extrem agierende Figuren. Das zehrt einfach an der Energie. Und ich kann Ihnen auch sagen, dass ich nach dem letzten Drehtag erst mal zwei Monate nichts mehr von U-Booten wissen wollte, weil ich recht verausgabt war. Darüber hinaus hatten wir als besonderes "Bonbon" die Pandemie, die mental in vielerlei Hinsicht belastend war.

STANDARD: Was ist da so hart an dem Dreh?

Dinda: Es ist die Enge. Es ist die Menge der Personen in der Enge. Es ist das mangelnde Tageslicht. Man geht im Dunkeln rein, kommt im Dunkeln raus. Man ist ein Großteil des Tages in körperlich anspruchsvollen Szenen eingebunden, die es auch entsprechend zu beleben gilt. Man steht unter der Verantwortung, aus der zeitlichen Distanz möglichst nah an das Schicksal dieser Männer zu kommen, die ihr Leben gelassen haben bzw. dieses Risiko eingegangen sind. Es geht tatsächlich in jeder Szene um viel, viel mehr als um das bloße Abarbeiten des Tagespensums. Es ist kräftezehrend.

STANDARD: Und trotzdem tun Sie sich das immer wieder an.

Dinda: Ich bin bereit für eine Neuauflage und beginne im nächsten Monat an der Arbeit zur vierten Staffel. Ich freue mich, dass ich damit zum dienstältesten Veteranen dieser Serie werde. Dementsprechend ist es eine sehr, sehr lange Reise und ich bin gespannt, welche neuen Herausforderungen auf mich warten.

STANDARD: Ändert der Krieg in der Ukraine für Sie persönlich den Blick auf die Serie?

Dinda: Es wäre schade, wenn wir erst jetzt darüber nachdenken, wie wir zu dem Thema stehen, dass wir eine Serie mit Protagonistinnen und Figuren inmitten einer Kriegsmaschine erzählen. Natürlich haben wir uns von Anfang an mit diesem Thema auseinandergesetzt und von Folge eins der ersten Staffel an war es das Ziel, die klare Antikriegsbotschaft dieser Serie nach draußen zu transportieren und dadurch auch eine Debatte anzustoßen. Wir wollen einer jungen Generation und allen Zuschauerinnen und Zuschauern vor Augen führen, welches Privileg Frieden ist. Ich gehe davon aus, dass die gegenwärtigen Ereignisse sogar noch mal einen anderen Fokus bringen. Von Anfang an war klar, wie sich diese Serie aufgestellt hat. Und wenn es möglich ist, jetzt die Debatte zu bereichern, dann ist das das Beste, was so ein Format leisten kann.

STANDARD: Sie sind ein Künstler mit einer Nebenbeschäftigung: Mit Ihrem Projekt Reimraum entwerfen Sie Lyrik Maschinen. Wie lässt sich so ein intensiver Dreh mit Ihrer Aktivität als Künstler vereinen?

Dinda: In dem Moment, in dem ich drehe, fokussiere ich mich ausschließlich auf Drehen. In dem Moment, in dem ich nicht drehe, kann ich mich meinen anderen Projekten zuwenden. Ich bin da nicht zweigeteilt, sondern dort, wo ich gerade bin. Wobei ich sagen muss, dass ich mich seit vier Jahren um Ernst Ludwig Kirchner kümmere. Der Reimraum und die Poesie ruhen im Moment. (Doris Priesching, 12.5.2022)