Musste sich häufig genug sexistische Verbalübergriffe gefallen lassen: Alice Schwarzer (hier in Bonn anlässlich der "PorNO"-Kampagne).

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In diesen Wochen erteilt Alice Schwarzer, legendäre Emma-Herausgeberin, Frauen wie Männern Lektionen in Sachen Unerschrockenheit. Kein Periodikum, das auf sich hält, in dem Schwarzer nicht wehrhaft ihr Wort einlegen würde – für die friedliche Sache der Emma-Briefunterzeichner. Man muss Schwarzers Sichtweise auf den Ukraine-Krieg keineswegs teilen, um festzustellen: Würde sie Putin an seinem Konferenztisch gegenübersitzen, der so lange ist wie ein Flussarm der Newa: Wer, wenn nicht die Feministin, besäße die Fähigkeit, den brutalen Aggressor zum Einlenken zu bewegen?

Als halbwüchsiger Babyboomer – die Reformära Bruno Kreiskys war sanft ausgeklungen – begegnete ich der Person Schwarzers erstmals als Zuseher des legendären Club 2 im ORF. Der Journalistin im Fauteuil gegenüber saß der schon lange verewigte Grünen-Politiker Herbert Fux: ein Charakterkopf, der – wenn er nicht gerade Bäumchen goss oder feuchtes Auland besetzte – seine furchtgebietende Miene in den Dienst des Filmschurkentums stellte, insbesondere des Italo-Westerns.

Was auch immer den Zwist zwischen den beiden bewirkt haben mochte, Fux schmähte Schwarzers Agenda der Gleichberechtigung. Er warf Schwarzer sinngemäß vor, dass kein Mann wegen ihres Aussehens den Beischlaf mit ihr suchen würde. Wer nun freilich glaubte, die Feministin würde ob der chauvinistischen Rüpelei in Tränen ausbrechen oder gestehen, dass sie keusch lebe, sah sich getäuscht. Ihre Antwort: Er solle still sein. Wer in Fux‘ Aufmachung aus dem Haus gehe, habe die Kontrolle über sein Leben verloren. Touché!

Tatsächlich hatte sich das Rad der Zeit unwiderruflich vorwärtsgedreht. Es wurde endlich als unstatthaft angesehen, "Emanzen" mit dem Beiwort "widerlich" zu versehen. Und ich kam aus dem Staunen nicht heraus: Punksängerin Nina Hagen nutzte eine weitere Ausgabe der Club 2-Sendung, um den genauen Sitz ihrer erogenen Zonen, mitsamt allen Stimulationserfordernissen, vor der Öffentlichkeit darzutun. Frauen sprachen endlich offen aus, was sie bewegte! Nur die Aufmachung vieler Grünen-Politiker ließ noch geraume Zeit zu wünschen übrig. (Ronald Pohl, 11.5.2022)