Verknüpfte Verkehrsangebote steigern mit dem Servicecharakter auch die Bereitschaft, Öffis oder Sharing-Angebote zu nutzen – ein Plus für Ressourcen- und Klimaschutz.

Foto: Getty Images / iStock / metamorworks

Unkompliziert ans Ziel zu gelangen und dafür kein eigenes Auto zu benötigen könnte so einfach sein. Im Prinzip bräuchte es nur eine "Concierge-Taste" auf dem Handy, die man drückt und angibt, dass man von A ("Mein Standort") nach B ("Pixendorf") will. Das Handy stellte eine Möglichkeit dar, die elektrifizierten Öffis, Bus, Bahn und privaten Fahrdiensten vom E-Auto bis zum E-Roller einzubeziehen.

Mobility as a Service (MaaS) ist eine schöne Idee. Man nimmt sich einmal ein Abo und verfügt über alle Möglichkeiten. Ein eigenes Auto? Ein Zweitauto? Wozu? Man hat ja die App. Das einzige Problem an schönen Visionen ist oft die widerständige Realität.

Leitprojekt

Auch Ultimob machte diese Erfahrung. Das mit fünf Millionen Euro dotierte Leitprojekt des Verkehrs- und Klimaschutzministeriums hat unter anderem im Sinn, MaaS und ähnliche Mobilitätsdienstleistungen in Modellregionen aufzubauen, um den motorisierten Individualverkehr zu minimieren.

Die etwas ernüchternde Erfahrung aber, nach zwei Jahren, beschreibt Projektleiter Roland Hackl von tbw research. "Es wird wohl noch mehr Zeit brauchen, um die Vision einer nahtlosen Mobilität ohne eigenes Auto zu verwirklichen." Denn der Teufel steckt im Detail.

Zuerst einmal die Umsetzung der Handy-App. Auch wenn man sich von Anfang an internationale Expertise von MaaS global mit an Bord holte, dem ersten Betreiber einer Mobility-as-a-Service-App aus Finnland, zeigte sich bald eines: "Mit einer App allein kommt niemand von A nach B. Da braucht es eine physische Hinterlegung." Die MaaS-Verhandlungen mit Anbietern von Fahrdienstleistungen nahmen sich aber schwierig aus.

Skepsis bei Neuerungen

Denn Betreiber öffentlicher Linien lassen sich schwer davon überzeugen, dass sie in ein neues, großes Ganzes eingebaut werden sollen. Wie soll das rechtlich und ökonomisch organisiert sein? Wie Tickets verkaufen? Wie werden Abos verrechnet, sofern es welche gibt? Auch private Anbieter von Fahrdienstleistungen haben ihre Probleme mit der Concierge-Taste für die Fläche.

Wien, ja, das gilt als groß genug, um ein MaaS gewinnorientiert betreiben zu können. Graz sei von der Größe her schon grenzwertig, und kleinere Regionen oder gar der ländliche Raum wie etwa rund um den Bahnhof Tullnerfeld – da winken private MaaS-Anbieter gleich einmal ab.

Bequemeres Pendeln

Dabei hätte gerade diese Ultimob-Modellregion Bedarf für ein neues Mobilitätskonzept. Denn das Gratisparksystem am Bahnhof Tullnerfeld, der vor zehn Jahren als "Überhol- und Regionalbahnhof" in Betrieb ging, funktioniert mittlerweile "schon zu gut", sagt Ultimob-Co-Leiter Alexander Neumann vom Forschungs- und Consultingbüro Netwiss. Täglich pendeln rund 5500 Personen über diesen Park-and-Ride-Hub in Richtung Wien oder Linz.

Die Gratisparkplätze, mittlerweile auch um ein Parkhaus erweitert, seien aber Gift für neue, lokale Mobilitätskonzepte. "Park and Ride ist zwar schon viel besser als über die Autobahn nach Wien, St. Pölten oder Linz und Salzburg zu fahren", sagt Neumann. Für das Erreichen der Klimaziele wäre es aber wichtig, schon für die Fahrt zur Park-and-Ride-Anlage öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad zu nutzen.

Für die Modellregion Tullnerfeld hat man daher eine neue Lösung gefunden. Wenn schon nicht der große "MaaS-Wurf" mit Concierge-Taste auf dem Handy gelungen ist, so konnte doch eine durchaus klimafreundliche Neuerung angestoßen werden: Die Buslinien sollen neu konzipiert werden. Zum einen soll es mit größeren Fahrzeugen geradlinige Expressverbindungen zum Bahnhof Tullnerfeld geben. Zum anderen sollen Zubringerdienste entstehen, die Menschen mit kleineren Bussen zu den Expresslinien bringen.

Entscheidender Faktor Zeit

Das könnte funktionieren, sagt Neumann. Die Frequenz der Busse sollte hoch und auf die Bedürfnisse der Pendlerinnen und Pendler abgestimmt sein. "Wenn die dann sehen, dass ganz in ihrer Nähe ein Bus sie fast gleich schnell zum Bahnhof bringt wie das eigene Auto, werden sie umsteigen", ist Neumann überzeugt. Auf Überzeugung allein will man aber nicht (mehr) setzen. Neumann und Hackl regen daher an, das kostenlose Parken am Bahnhof Tullnerfeld zu beenden und eine Gebühr einzuführen, sobald ein attraktives Alternativangebot à la Ultimob im Pilotversuch umgesetzt wird.

Überhaupt sei bessere "Gouvernance" angesagt. "Es müssen klare Regeln geschaffen werden", sagt Hackl. Denn der motorisierte Individualverkehr sei im Prinzip nur noch in Ausnahmefällen die beste Lösung, etwa in ruralen Streusiedlungen, soll heißen: wenn es gar nicht anders geht. An der Einschätzung, dass der motorisierte Individualverkehr klimaschädlich sei, ändere sich auch wenig bis gar nichts, wenn alle Privatautos mit Elektroantrieb ausgestattet wären.

"Denn Elektrizität muss auch für private E-Autos erzeugt werden. Die fehlt aber dann in anderen Sektoren." Einziger scheinbarer Ausweg für das private Fahren: ein "Ökowunderauto", betrieben mit Wasserstoff aus der Sonne. Aber, wie Hackl und Neumann sagen: "Daran glauben wir nicht." Ihrer Einschätzung nach sei das eher eine Ausrede, um neue Regeln für den Rückbau des motorisierten Individualverkehrs auf die lange Bank zu schieben. Das Ultimob-Projekt, ausgelegt auf vier Jahre, soll daher verlängert werden. (Norbert Regitnig-Tillian, 17.5.2022)